Aus einem Brief von Alma Rogge an Hermann Hesse

Von Wilfried Schroeder, Bremen

In diesem Kalender wurde 1997 über eine Begegnung von Alma Rogge mit Hermann Hesse berichtet. Nun konnte dazu ein Dankesbrief von Alma Rogge gefunden werden, der geeignet ist, ein weiteres Licht auf die Verehrung Rogges für Hesse zu werfen. Der Brief, der mit freundlicher Genehmigung des Schweizerischen Literatur Archivs hier wiedergegeben wird, lautet:

"Hochverehrter Hermann Hesse!

Sie waren so guetig, mir vor Wochen in Ihrem Garten in Montagnola zu erlauben, Sie zu begruessen. Ich konnte Ihnen von unserer verehrten Agnes Miegel erzaehlen, der ich zu ihrer groessten Freude Ihre Gruesse schickte. Aber noch andere Menschen freuten sich, durch mich von Ihnen zu hoeren: Manfred Hausmann, der in meiner Nachbarschaft wohnt, der Buchhaendler Steens, frueher Jena, jetzt in Bremen, den Sie schriftlich kennen, und zuletzt Ina Seidel, der einige Tage in meinem Haus ob der Weser zu Besuch war.

Agnes Miegel schrieb mir, Ihre Gedichte haetten Sie immer begleitet, auch im Lager in Juetland. Und ich sage mir oft Ihr Gedicht "Ein Hof in stiller Nacht" leise auf, wuchs ich doch auf einem einsamen Hof auf, der fuer mich Heimatzauber und Frieden bedeutet, "den kein Name nennt".

So moechte ich Ihnen heute noch einmal von Herzen danken fuer das Erlebnis der Begegnung mit Ihnen. Und ich waere gluecklich, wenn Ihnen das hier anliegende Gedicht etwas von mir sagte."

 

Der Brief datiert vom 12. Juli 1956. Eine Antwort von Hermann Hesse liess sich nicht auffinden.

Das von Rogge zitierte Hesse´sche Gedicht lautet wie folgt:

Der stille Hof

Ein Hof liegt in der stillen Nacht,

Ein Bauernhof, drin keiner wacht

Und keiner wache Naechte kennt.


Ein Heimatzauber kommt von dir

Und weht in die Gedanken mir

Den Frieden, den kein Name nennt.

Rogge legte ihrem Brief folgendes Gedicht bei, das einige interessante Bezuege zu den Hesse´schen Versen zeigt:

Land aus dem ich geboren bin


Land aus dem ich geboren bin,

weit ist dein Himmel und gross,

fruchtbar die Felder, grenzlos

breite die Ebene sich hin.


Dein Ufer bedraengt das Meer,

Fluten kommen und gehn,

Was die schwingenden Stuerme verwehn,

das ist ohne Wiederkehr.


Tier und niederes Dach und Baum,

nahe dem Menschen gesellt,

den im unendlichen Anruf befaellt

Fernweh und Fernentraum.


Land aus dem ich geworden bin,

schwarz ist dein Acker und Brot.

Dein ist mein Leben, dein mein Tod,

nimmst in dein Wesen mich hin.


Einmal komm ich in dir zu Ruh,

bette in deine Erde mich ein,

brauche nicht in mehr zu sein,

bin wieder du.

 

Beiden Texten ist etwas gemeinsam, was in der heutigen Zeit der oftmals erzwungenen Mobilitaet, des gebrochenen Verhaeltnisses zur eigenen Geschichte und des vielfachen Werteabbaus weitgehend verdraengt is: die Heimatbezogenheit, die jeder Mensch zu seiner Identitaetsfindung braucht, was jedoch heute oft geleugnet wird. Umso wichtiger scheint mir, diese Gedichte von Hesse und Rogge in Erinnerung zu bringen. Sei waeren bestens geeignet, auch Heranwachsenden eine Moeglichkeit zu eroeffnen, sich wiederzufinden im heimatlichen Umfeld.

Die Texte zeigen eine besondere Form der Verbundenheit und des inneren Bezuges zum Thema. Das macht sie so wertvoll. Beide - Hesse und Rogge - haben niemals ihre Heimat verleugnet, wenngleich sei eine neue Heimstatt gefunden hatten. Dort lebten sie, jeder auf seine Art, in einer idyllischen Umgebung, konnten sich also heimisch fuehlen. Dass dennoch ein starkes Band zurueck zu den Wurzeln ihrer Herkunft erhalten blieb, wird in den hier zitierten Versen deutlich vermittelt.

Alma Rogges Brief zeigt eine besondere Verehrung fuer Hermann Hesse, dem sich sich verbunden fuehlte. Beide Gedichte sowie Rogges Brief sind Kulturgueter, die es zu pflegen und zu erhalten gilt, gerade in einer Zeit der Orientierungslosigkeit.

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