Über  das nationale Komitee für das Internationale Geophysikalische Jahr bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin in den Jahren 1956-1961

 

 

Wilfried Schröder

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1. Vorbemerkung

 

 

Die Durchführung des Internationalen Geophysikalischen Jahres (1957-58) stellte eine große Herausforderung dar. So überrascht es nicht, daß alle Staaten eingeladen wurden, sich an dem umfassenden Forschungsprogramm zu beteiligen. Meist wurde die Arbeit auf nationaler Ebene über nationale Komitees geleitet. Recht frühzeitig zeigte auch die DDR Interesse an einer Beteiligung, so daß es zur Gründung eines solchen Komitees kam. Nachfolgend sollen einige Aspekte dieser international sehr geschätzten Tätigkeit behandelt werden.

 

2. Die Gründung

 

Bereits 1955 wandte sich die Regierung der DDR an die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (nachfolgend DAW). In einem Schreiben vom Juni 1955 wurde Prof. Hans Ertel, seinerzeit Vizepräsident für die Naturwissenschaften, ausdrücklich darauf hingewiesen, daß man eine Beteiligung am IGJ für wünschenswert hielt. Dabei wurde angeregt, daß die DAW die Federführung übernimmt und die Bildung eines entsprechenden Komitees veranlaßt wird. Neben der DAW sollten andere Institutionen dem Komitee außerdem  angehören.In seiner Antwort machte Ertel deutlich, daß es für die DAW nicht einfach sei, die Federführung zu übernehmen, da das neue  Geophysikalische Jahr  eine geophysikalisch erweiterte Wiederholung der früheren 'Int. Polarjahre' (1882/83 und 1932/33) darstelle, wobei jedoch die M e t e o r o l o g i e die zentrale Disziplin bleibt. (vgl. auch Ertel, 1953). Er machte klar, daß der DAW keine derartigen Institute unterstehen, so daß eine Leitung schwierig sein würde. Angeregt wurde, daß dem Meteorologischen und Hydrologischen Dienst die Aufgaben zu übertragen seien. Es würde jedoch sicher gestellt werden, daß sich die einschlägigen Institute der DAW am Programm beteiligen würden.. Im Juli machte jedoch die Regierung nochmals klar, daß die Anmeldung des nationalen Komitees in Brüssel unter dem Namen der Akademie der Wissenschaften erfolgt. Die weitere Entwicklung war nun, daß Ertel am 28. September 1955 dem Sekretär des CSAGI, Prof. M. Nicolet , mitteilte, daß die DDR sich am IGJ beteiligen werde

 

.Im November  äußerte die Regierung gegenüber Ertel die Bitte, doch für eine zügige Durchführung aller Vorbereitungen zu sorgen und darauf zu achten, daß keinerlei Verzögerungen eintreten, die eine Mitarbeit gefährden könnten. In einem Antwortschreiben vom 29.12.1955 machte der Verwaltungsdirektor Dr. H. Wittbrodt schließlich an die Regierung die Mitteilung, daß das Präsidium der DAW in seiner Sitzung vom 21. 12. 1955 beschlossen habe,  die Federführung im National-Komitee der Deutschen Demokratischen Republik, das anläßlich des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58 gegründet werden soll, zu übernehmen. In der gleichen Sitzung erklärte Prof. Ertel, daß er jetzt bereit sei, den Vorsitz des Komitees anzunehmen. Zugleich wurde auf Vorschlag von Hans Ertel  Horst Philipps als Sekretär berufen. Am 16. Februar 1956 übermittelte der Präsident der DAW, Prof. W. Friedrich, die Liste des Komitees mit den Namen der entsprechenden Fachvertreter.Am 13. Februar 1956 bestätigte Ministerpräsident Otto Grotewohl die von der DAW eingereichte Liste.

In einem ausführlichen Schreiben lud Ertel die vorgesehenen Mitglieder zur Mitarbeit ein. Das Schreiben hatte folgenden Inhalt:

 

"Betr.: Int. Geophyskal. Jahr 1957/58

 

Sehr geehrter Herr Kollege:

 

Der Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik, Herr Otto Grotewohl, unterrichtete mich darüber, dass der Ministerrat den Vorschlag des Präsidiums der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin betr. der personellen Zusammensetzung des Nationalen Komitees für die Beteiligung der DDR am Internationalen Geophysikalischen Jahr 1957/58 zugestimmt hat.

Indem ich die Ehre habe, Sie, sehr geehrter Herr Kollege, als Mitglied dieses Komitees mit dem Gefühl aufrichtigster Freude begrüssen zu können, erbitte ich Ihre wertvolle Mitarbeit an einem Aufgabenkomplex von größter Bedeutung für die weitere Entwicklung aller geophysikalischen Wissenschaften, sowie für die Anwendung Ihrer Erkenntnisse im Geiste wahrer Humanität.

Wir gehen sicher konform in der Ansicht, sehr geehrter Herr Kollege, dass die Beteiligung der DDR an der weltumspannenden Organisation des Intern. Geophysikalischen Jahrs 1957/58 uns vielfache Möglichkeiten bietet, die Qualität unserer wissenschaftlichen Arbeit vor einem internationalen Forum zu dokumentieren.

Nach Erledigung der Formalitäten mit dem Brüsseler Büro des Int. Geophys. Jahres wird der Sekretär des Nationalen Komitees für die DDR, Herr Prof. Dr. H. Philipps, an Sie die Einladung zur konstituierenden Sitzung des Komitees ergehen lassen.

Inzwischen verbleibe ich, sehr geehrter Herr Kollege, mit dem Ausdruck meiner größten Hochachtung Ihr sehr ergebener H. Ertel." (Archiv BBAdW)

 

 Dieses gleichlautende Schreiben ging allen vorgesehenen Mitgliedern (u.a. Bartels, Fanselau, Görlich, Hachenberg, Hoffmeister,  Lauter, Meißer, Philipps, Reicheneder, Uhink und Wempe) zu.

 

Phillips unterrichtete Ertel mit Schreiben vom 23. Mai 1956 von dem weiteren Fortgang und umriß insbesondere die anstehenden Probleme,, die die wissenschaftliche Planung, Finanzierung und den Ablauf betrafen.

Am 3. Juli 1956 fand schließlich die erste Sitzung des Nationalen Komitees statt, der alle vorgesehenen Mitglieder beiwohnten.

Folglich konnte Ertel am 30. Juli 1956 dem Büro des Ministerrats eine erste Einschätzung zur Planung und anfallenden Finanzierung vorlegen.Damit waren die Weichen für eine kontinuierliche Entwicklung zur Mitarbeit gestellt, und bereits im Januar 1957 konnte eine zweie Sitzung des Nationalkomitees vorgesehen werden, der u.a folgende Themen angehörten:

1) Kurzberichte über die Tagungen in Moskau und Barcelona

2) Die extraterritorialen Aufgaben der DDR

3) Zusätze zum Forschungs und Finazplan des NK bzw. notwendige Abänderungen

4) Zur Frage der Organisation der Welttage

5) Zur Frage der technischen Vorbereitung (Aufgaben des Technischen Büros)

6. Verschiedenes

 

Die Ergebnisse dieser Sitzung mit weiteren Detailvorstellungen zum Forschungsplan und Finanzierung wurden von Ertel und Philipps dem Ministerrat in einem Schreiben vom 11. Januar 1957 mitgeteilt.

Das Programm stellte auch hohe Anforderungen an die finanzielle Seite, denn es mußten sowohl Inlands- als auch Auslandskosten getragen werden. In allen diesen Bereichen wurde das NK jedoch großzügig von der Regierung der DDR gefördert, so daß eine erfolgreiche internationale Mitarbeit möglich wurde.

 Am 15. Juni 1957 wandte sich der Präsident des Internationalen Rates der Wissenschaftlichen Union, Dr L. V. Berkner, in einem Grußwort an Ertel. Er betonte den weltumgreifenden Charakter des IGJ und begrüßte die Teilnahme der DDR an diesem Forschunsgvorhaben. Ertel übermittelte ebenfalls eine Grußbotschaft an Berkner, womit der äußere Rahmen der internationalen Kooperation gegeben war.

 

Eine besondere Note bekam das IGJ durch den Start des ersten Erdsatelliten durch die UdSSR. Das nationale Komitee der DDR beglückwünschte die Akademie der Wissenschaften der UdSSR zu diesem gelungenen Beitrag bei der Erforschung der Hochatmosphäre. Ertel betonte in seinem Telegramm vom 5. Oktober 1957 die hochbedeutsamen Aufgaben des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1957/58.

Seitens der Regierung der DDR wurden die Arbeiten der DAW mit großem Interesse und Nachdruck begleitet. So lud der damalige Ministerpräsident Otto Grotewohl Prof. Ertel zu einer Aussprache ein, die im November 1957 stattfand. Dabei fand auch zugleich eine Unterrichtung über die Arbeit des Humboldt-Komitees der DAW, dem Ertel vorsaß, statt.

Im Februar 1959 fand schließlich eine Konferenz zum IGJ in Moskau statt, auf der die DAW vertreten war. Ziel war es, die vielen angefallenen Spezialfragen zu diskutieren sowie solche Planungen zu erörtern, die der vorgesehenen Internationalen Geophysikalischen Kooperation -1959- zuzuordnen waren.

Das Nationale Komitee hatte sich auf seiner Sitzung vom 14. November 1958 ausführlich mit den Moskauer Beschlüssen beschäftigt, die eine Verlängerung des IGJ um ein Jahr vorsahen.Daran wollte sich die DDR ebenfalls beteiligen, wobei sich nach Ertels Darlegungen keine besonderen Probleme ergeben würden.Nachdrücklich wurde die Verlängerung des IGJ begrüßt, wobei auch deutlich wurde, daß ab 1960 eine permanente Kooperation der geophysikalischen und der ihr verwandten Wissenschaften sinnvoll seien. Das Vorhaben von CSAGI wurde vom Nationalen Komitee gebilligt und die grundsätzliche Mitarbeit erklärt.

Für 1960 ergab sich eine weitere Aufgabe, die auch noch dem IGJ zuzuordnen ist: Es war vorgesehen, daß in der DDR die Konferenz der osteuropäisch-asiatischen Region des IGJ durchgeführt wurde.Diese Konferenz wurde erfolgreich  in der Zeit vom 8. bis 11. Juni 1960 durchgeführt An der Tagung nahmen Delegationen aus der früheren CSSR, Mongolischen Volksrepublik, Polen, Ungarn sowie der UdSSR teil.

.In seiner Begrüßungsadresse konnte Hans Ertel namens der DAW nicht nur alle Gäste herzlich begrüßen, sondern auch den erdumspannenden Charakter des IGJ betonen, der zu einer intensiven, internationalen Kooperation  geführt hatte

.So sagte er u.a.

 "Hochgeehrte Kollegen, liebe Freunde, werte Gäste, meine Damen und Herren!

Daß die geophysikalischen Wissenschaften seitens der Deutschen Akademie der Wissenschaften stets eine weitgehende Förderung erfahren haben, haben Ihnen die Worte von Herrn Prof. Dr. Philipps, Alexander von Humboldt betreffend, in Erinnerung gebracht. Die Organisation des Internationalen Geophysikalischen Jahres bzw. die anschließende Internationale Geophysikalische Cooperation ist die modernste Auswertung der Ideen Alexander von Humboldts.Die nun hier stattfindende Regionaltagung ist ein Teil der Arbeit des Internationalen Geophysikalischen Cooperation. Sie werden es daher verstehen, daß die Deutsche Akademie der Wissenschaften es mit besonderer Freude begrüßt, daß diese Tagung in ihren Räumen stattfindet...

Den Wünschen des Präsidiums unserer Akademie schließe ich mich aus vollstem Herzen an und gemeinsam mit unserem Präsidium wünsche ich dieser Tagung einen vollen Erfolg. In Anbetracht des hier versammelten Gremiums hervorragender Wissenschaftler aller geophysikalischen Disziplinen scheint  mir der Erfolg von vornherein gesichert. Nicht zuletzt möchte ich Herrn Prof. Boulanger und Herrn Prof. Philipps für die hervorragenden Vorbereitungen danken. Lassen Sie mich schließen, hochverehrte, liebe Kollegen, mit dem Wunsch, daß auch diese Tagung dazu beitragen möchte, die völkerverbindende Kraft der geophysikalischen Wissenschaften zu stärken" (Mittblatt Mitarb. DAW 6/1960, S. 226).

 

 Die Tagung umfaße alle Teilgebiete des IGJ und führte zu weiteren, konkreten Absprachen der teilnehmenden Delegationen.Daß diese Tagung ein nachhaltiger Erfolg auch für die Arbeit des NKGG wurde, zeigen die Dankesworte, die der Leiter der polnischen Delegation, Prof. Mancarski,  im Namen aller Teilnehmer auf der Schlußsitzung sagte:

 

"Wir verlassen Berlin mit dem Gefühl bester und vollster Pflichterfüllung. Die weitere Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern auf dem Gebiete der Geophysik haben wir eingehend besprochen und festgelegt. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck,daß wir weiterhin erfolgreich die Traditionen des Internationalen Geophysikalischen Jahres fortführen werden, welches unzweifelhaft eines der größten Unternehmungen der friedlichen Zusammenarbeit zwischen den Nationen war. Unsere Beratungen wurden im Kreise guter Freunde geführt. Die Gastgeber waren nicht nur bestrebt, uns allgemein Erleichterungen für die erfolgreiche Durchführung unserer Aufgaben zu schaffen, sondern haben uns auch  einen angenehmen und herzlichen Aufenthalt bereitet.

Besonders muß ich die musterhafte Organisation der Konferenz sowie die freundschaftliche und herzliche Atmosphäre zwischen den Konferenzteilnehmern hervorheben.

Ich bitte mir zu gestatten, meine herzlichsten Wünsche für eine weitere erfolgreiche Fortsetzung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern auszudrücken." (ebd, S. 260)

 

Das Jahr 1960 war aber noch durch weitere Ereignisse besonders hervorgehoben. Zwischen dem 26. Juli und 6. August 1960 fand die XII. Generalversammlung der "International Union of Geodesy and Geophysics" in Helsinki statt.An der Tagung konnte eine stattliche Delegation aus der DDR teilnehmen, deren vorgelegte Arbeiten internationale Anerkennung fanden. Dies führte auch dazu, daß DDR-Wissenschaftler in Leitungsfunktionen von Kommissionen der verschiedenen Assoziationen gewählt wurden . Außerdem wurde die DDR anläßlich dieser Konferenz als selbständiges Mitglied in die IUGG aufgenommen. Hintergrund all dieser Entscheidungen war das hohe Ansehen, daß die vom NK initiierten wissenschaftlichen Arbeiten auf internationaler Ebene gefunden hatten.

Ferner fand 1960 im September in London die Tagung der "Union Radio Scientifique Internationale (URSI). Auch hier legten Wissenschaftler aus der DDR beachtenswerte Arbeiten vor. Schließlich wurden auch hier die Teilnehmer aus der DDR als Delegierte anerkannt.

Schließlich sei auf die 150-Jahrfeier der Humboldt-Universität hingewiesen. Das an dieser Universität bestehende Institut für Meteorologie und Geophysik, das unter Leitung von Hans Ertel stand, war weltbekannt.

 Als weiterer Erfolg ergab sich ein Kolloquium der Internationalen Assoziation für Geomagnetismus und Aeronomie (IAGA), das unter Federführung der DAW in Potsdam stattfand.An diesem Symposium nahmen etwa 100 Teilnehmer aus 11 Staaten teil .Insgesamt kann für 1960 ein Abschluß der internationalen Bemühungen des NK gesehen werden: Wichtige internationale Vorhaben waren bearbeitet worden, die internationale Anerkennung der Arbeiten war erreicht und die DDR allgemein als Mitglied in vielen Gremien aufgenommen worden.

 

Somit konnten im Jahre 1960  neue Veränderungen abgesprochen werden, da die Überlegungen, den Landesausschuß (für IUGG Fragen zuständig) mit dem nationalen Komitee zusammenzulegen, sinnvoll erschienen. Beides waren voneinander unabhängige Gremien. Indes hatte ja das nationale Komitee für das IGJ in organisatorischer Hinsicht seine Arbeit durchgeführt und auch in gewisser Weise abgeschlossen.. Die einzig offene Frage war nur noch der vollständige und selbständige Beitritt der DDR, vertreten durch die DAW, in die Internationale Union für Geophysik und Geodäsie (IUGG).

Dieser entsprechende  Landesausschuß wurde von der DAW ebenfalls betreut, indes wurden die Verhandlungen u.a. durch Prof. Reicheneder (Potsdam) und Meißer (Freiberg) ausgeführt, alles jedoch unter letztlichem Vorbehalt der DAW, für die Prof. Ertel im Ausschuß saß. Jedoch ist dieser Aspekt unabhängig vom IGJ zu sehen, wohl aber hat die Beteiligung der DDR am IGJ natürlich das internationale Ansehen erheblich gestärkt, so daß auch diese neuen organisatorischen Fragen behandelt werden konnten in neuer Weise. Darauf soll hier aber nicht mehr eingegangen werden.1960 stellte einen vorläufigen Abschluß in der internationalen Anerkennung dar.

 

 

2. Das Forschungsprogramm im IGJ

 

Das Programm war bestimmt durch die Projekte des IGJ und umfaßte die Gebiete

 

- Meteorologie, (Meteorologischer und Hydrologischer Dienst)

 

-  Geomagnetismus (Geomagnetisches Institut Potsdam und               Observatorium Niemegk, Bergakademie Freiberg)

 

- Polarlicht und hochatmosphärische Leuchterscheinungen,(Sternwarte Sonneberg)

- Ionosphäre.(Heinrich Hertz Institut für Schwingungsforschung)

-Solar-Aktivität (Astrophysikalisches Institut Potsdam)

- Kosmische Strahlung, Institut Miersdorf und Kühlungsborn

- Längen- und Breiten (Geodätisches Institut)

 

Auf die vielschichtigen Einzelheiten des Forschungsprogramm soll hier nicht eingegangen werden. Wichtig war nur, das hat das NK auch umrissen, daß sich die DDR entsprechend ihren Kapazitäten an solchen Themen beteiligte, die a) zu bewältigen waren und b) auch den erwarteten Erfolg brachten.

 

Im Januar 1957 wandte sich das NK an den Generalsekretär des CSAGI, den Belgier Prof. M. Nicolet, um einige Probleme anzusprechen. So zeigte sich, daß manche Forschungsvorhaben nicht realisiert werden konnten, weil die nötige Zusammenarbeit nicht klappte. Das betraf einmal die Beteiligung an der Grönlandexpedition sowie die Mitarbeit an verschiedenen Programmen der Station Walfischbucht. Die Errichtung einer eigenen Station auf der Bouvet-Insel mußte wegen der vielen Probleme abgesagt werden.Die Beteiligung an den ozeanographichen Untersuchungen in der Ostee wollte das NK verständlicherweise nur durchführen, wenn auch eine Beteiligung Finnlands gewährleistet war. Eine recht positive Einschätzung konnte hingegen für die Antarktis-Forschung schon zu diesem Zeitpunkt gegeben werden. Die Beteiligung an den sowjetischen Forschungen war in eine positive Entscheidung gerückt.

 

Interessant ist jedoch eine zweifache Erweiterung der Themen des IGJ: Einmal brachte der Start des ersten Erdsatelliten, des Sputnik, durch die UdSSR, eine neue Aufgabenstellung in die laufenden Arbeiten. Es bestand großes Interesse daran, daß regelmäßig Bahnbeobachtungen durchgeführt werden. Hieran beteiligten sich Akademie-Institute (z.B. Potsdam und Sonneberg) sowie, und das ist interessant, Amateure. Aus dem Bericht des NK von 1959 geht hervor, daß sich 21 Volkssternwarten an der Bahnbeobachtung beteiligten, d.h. Amateure waren in  die laufende wissenschaftliche Sondierung einbezogen. Über die verschiedenen Ergebnisse hat u.a. Güntzel-Linger (1959, 1960)   berichtet. Der zweite zusätzliche Aspekt war die Beteiligung an drei großen Expeditionen der Sowjetunion, für die zwischen den Komitees die entsprechenden Vereinbarungen getroffen wurden (vgl. Samow und Skeib, 1958).Dazu gehörte die Teilnahme der Pamir-Expedition der UdSSR (photogrammetrische Vermessung des Fedtschenko-Gletschers), die Teilanhme an der Tienschan-Expedition (photographische Vermessung im Gletschergebiet der Alma-Atinka,mit  Wärmehaushaltsmessungen des Gletschers, hydrologische Untersuchungen, Abflußmessungen), die Teilnahme an der ozeanographischen Atlantik-Expedition auf dem Forschungssschiff Michail Lomonossow (Strömungsmessungen, Salzgehaltsbestimmungen, Wärme und Strahlungshaushalt an der Wasseroberfläche, Peilungen der Atmosferics).

Die Beteiligung am Raketen und Satellitenprogramm wurde bereits erwähnt, wobei es um die visuelle und photographische Bestimmung der Satellitenpositionen ging (vgl. Güntzel-Lingner 1959, 1960).

Der Bericht des NK wurde auf der Sitzung des Ministerrats vom 26. März 1959 bestätigt, womit auch die weitere Beteiligung der DDR am IGJ sowie ab 1960 an laufenden Programmen gesichert wurde.

Zusammenfassend kann gesagt werden, daß an allen wesentlichen Programmen für das IGJ und IGC erfolgreich mitgearbeitet wurde. Auch international wurde der Beitrag nachdrücklich gewürdigt. Dies führte auch dazu, daß der Wunsch bestand, die IV. Regionaltagung der Euorpäisch-asiatischen Länder in der DDR zu veranstalten

 In seinen weiteren Beschlüssen hielt das NK fest, sich an der Arbeit des CIG (Comite International de Geophysique) nachdrücklich zu beteiligen. Damit war die weitere internationale Anbindung der DDR-Arbeiten auch äußerlich bestätigt. Ziel der weiteren Arbeit sollte es sein, die Weltdatenzentren mit den ausstehenden IGJ und IGC angefallenen Daten und Beobachtungen zu beliefern (vgl. Hoffmeister, 1960).. In  der Zeit 1960/61, die durch das CIG zur "IGY/IGC 59 Analysis und Theroetical Research Period" erklärt wurde, die Auswertung der Beobachtungen zielstrebig  fortzusetzen und die anfallenden Ergebnisse in den bekannten Fachzeitschriften vorzulegen.

 Das geschah dann auch u.a. in " Gerlands Beiträge zur Geophysik " sowie der " Zeitschrift für Meteorologie". Beide Zeitschriften waren von Hans Ertel betreut und herausgegeben worden. Diese Arbeiten wurden mit dem Vermerk " aus dem Forschungsprogramm des Nationalen Komitees der DDR für das IGJ/IGC" entsprechend hervorgehoben.

 

3. Zum wissenschaftlichen Leben

 

 

In das NK wurden die führenden Wissenschaftler aus den verschiedenen Fachgebieten berufen. Es waren dies zu Beginn neben dem Präsidenten Hans Ertel, international der uneingeschränkt führende Wissenschaftler, der Sekretär Horst Philipps (auf Vorschlag von Hans Ertel) sowie die Mitglieder  G. Fanselau, C. Hoffmeister, O. Hachenberg, E.-A. Lauter, J. Wempe, K. Reicheneder, W. Uhink, P. Görlich, O. Meißer, G. Bartels, später kamen u.a. hinzu  W. Buchheim, G. Skeib, H.. Hinzpeter, G Haake und H. Schmidt.

Es wurde erwähnt, daß die Beobachtungen im IGJ in besonderer Weise die Mitarbeit von Sternfreunden und anderen Amateuren möglich machte (vgl. z.B. G. Stemmler, 1983). Die Sternwarte Sonneberg unter Hoffmeister konnte dabei die Polarlicht- und Nachthimmelbeobachtungen sammeln. Diese wurden später den Weltdaten-Zentren zugeleitet. Die Satellitenbeobachtungen wurden u.a. von Potsdam aus verwaltet, aber einzelne Volkssternwarten hatten auch direkte Kontakte zu den Moskauer Stellen und lieferten dort ihre Beobachtungen ab. Das vielfältige Satelliten-Material war eine wesentliche Stütze für die weiteren Bahnbestimmungen und die Mitarbeit der Amateure wurde nachdrücklich begrüßt.

 

Die Durchführung des IGJ hat weltweit große Aufmerksamkeit gefunden, so daß es nicht wundert, daß ein besonderes Informationsbedürfnis der Menschen bestand. In der DDR wurde eine mehrteilige Rundfunk-Sendung geboten, in der alle Mitglieder des NK über ihre Forschungsgebiete in halbstündigerDauer berichteten. Hinzu traten viele populärwissenschaftliche Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften sowie zahlreiche öffentliche  Vorträge (vgl. E.-A. Lauter, 1958).  Auf diese Weise wurde Inhalt und Ablauf des IGJ der breiten Bevölkerung verständlich gemacht und das nachdrückliche Interesse breiter Kreise ist auf diese gute Arbeit zuückzuführen. Es wundert nicht, daß große Polarlichter im IGJ sowie der Start der Erdsatelliten ein nachdrückliches Interesse fanden. Die Verzahnung von Forschung und offensiver Öffentlichkeitsarbeit kann durchaus als gelungen gewertet werden.

 

4. Ausblick

 

Das IGJ hat in allen Punkten gehalten, was sich die Initiatoren und Mitarbeiter erhofften: eine Stärkung der internationalen Zusmmenarbeit. Der wissenschaftliche Austausch verlief reibungslos, internationale Konferenzen, aber auch Forschungsvorhaben, brachten die Forscher aus allen Teilen der Erde näher aneinander.Dies galt übrigens auch  für die Zusammenarbeit der nationalen Komitees in der Bundesrepublik und der DDR. Während in der Bundesrepublik Prof. Julius Bartels, der übrigens Ordentliches Mitglied der DAW war, Vorsitzender war, leitete Prof. Ertel, der sein Schüler war, das DDR.Komitee. Die Zusammenarbeit beider Gelehrter war nicht nur harmonisch, sie war von herzlichem Einvernehmen geprägt, was sich auch auf die gute Zusammenarbeit beider Komitees auswirkte.

 Neben der Gewinnung neuer Erkenntnisse zum Planeten Erde und des erdnahen Raumes kann also der wissenschaftliche Nutzen des IGJ nicht hoch genug eingeschätzt werden für alle daran beteiligten Wissenschaftler und beteiligte Staaten. Mit dem IGJ begann eine neue Zeit der internationalen Kooperation. Man hatte erkannt, daß nur die globale Zusammenarbeit bei den Forschungsfragen weiterführt, die den Planeten und seinen ihn umgebenden Raum umfaßt. So gesehen war das IGJ Wegbereiter einer neuen Epoche der internationalen geophysikalischen Zuammenarbeit, die sich bis heute bestens bewährt hat.

 

 

Ungedruckte Quellen

 

Bestand Akademieleitung, Ordner 504, CSAGI, BBAdW.

 

 Dankbar gedenke ich der Hilfe von Professor James Van Allen. Prof. H. Kautzleben danke ich für seine geduldige Begleitung bei diesem Beitrag, ebenso dem Archiv der BBAdW.

 

Literatur

 

Chapman, S., The International Geophysical Year 1957-58. Nature 172, 1953, August 22

Ertel, H., Entwicklungsphasen der Geophysik. Berlin: Akademie-Verlag 1953

 

Güntzel-Lingner, U., Künstliche Erdsatelliten und kosmische Bahnraketen. Die Technik 14, 337, 1959

Güntzel-Lingner, U., Die Fotografie als Hilfsmittel zur Beobachtung künstlicher Erdsatelliten. Fotografie 14, 259 und 279, 1960

Hoffmeister, C., Jahresbericht der Sternwarte Sonneberg. Mitt. Astron Gesellschaft 1960, Hamburg-Bergedorf

Lauter, E.-A., Die Erforschung der Hochatmosphäre. Wissenschaft u. Fortschritt 8, 225, 1958

Somow, M. M., Die sowjetischen Forschungen in der Antarktis. Forschungen u. Fortschritte 8,18, 1958

Schmidt, H., und H. Wiese, Das Adolf-Schmidt-Observatorium für Erdmagnetismus im Internationalen Geophysikalischen Jahr. Wissenschaft u. Fortschritt 8, 65, 1958

Skeib, G., Mit dem sowjetischen Forschungsschiff "Michail Lomonossow" im Nordatlantik. Wissenschaft u. Fortschritt 8, 132, 1958

Stemmler, G., 32 Jahre Halobeobachtungen in Oelsnitz (Erzgebirge) aus häufigkeitsstatistischer Sicht. Zeitschrift f. Meteorologie 36, 265, 1986

Van Allen, J., Genesis of the International Geophysical Year. Eos 64, 977, 1983

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