Über die
wissenschaftlichen Beziehungen von Hans Ertel und Heinrich Ficker
Wilfried Schröder
1. Vorbemerkung
Im Gegensatz zum englischen Sprachraum befindet sich
die Aufarbeitung der Geschichte der geophysikalischen Disziplinen in
Deutschland erst im Aufbau. Das ist bedauerlich, denn gerade hier wurden viele
Grundlagen der heutigen Meteorologie und Geophysik gelegt. So kann es keinen
Zweifel geben, dass gerade auch das Berliner Meteorologische Institut zur Zeit
der Wirksamkeit von Heinrich Ficker sowie Hans Ertel eine internationale
Leitfunktion hatte.Die Wiederkehr des 50jährigen Todesjahres von
Akademiemitglied Heinrich Ficker mag Anlass sein, um einige Linien in der
Geschichte der Beziehung dieses Wissenschaftlers zu ziehen. Vornehmlich wird man
sich dabei auf Hans Ertel beziehen, dessen Entdeckung Ficker selbst als seine
wohl bedeutendste wissenschaftliche Leistung bezeichnete.Von einem Versuch muss
indes gesprochen werden, weil viele Unterlagen aus der Zeit der beiden Gelehrten
nicht mehr verfügbar sind, so dass indirekt geschlossen werden muss auf manche
Linie.
2. Die Berliner Zeit
Die meteorologische
Forschung hat im Berliner Raum eine lange Tradition. Die Gründung des "Preussischen
Meteorologischen Instituts" im Jahre 1847 bildet dabei in organistaorischer
Hinsicht nur den Beginn.
Im Jahre 1923 übernahm Heinrich Ficker als Nachfolger von
Gustav Hellmann (1854-1939) das Amt sowie den Lehrstuhl in Berlin. Bereits die
Antrittsrede Ficker's vor der Preussischen Akademie lässt einige Aspekte seines
Programms, so man es so bezeichnen will, erkennen. Ficker war am 28. Juli 1926
zum Ordentlichen Mitglied geworden und hielt am 30. Juni 1927 seine
Antrittsrede. Darin hebt er sowohl die Beiträge der österreichischen als auch
der skandinavischen Meteorologenschaft hervor. Besonders die klassischen Studien
von Hann, Exner, Margules und Trabert betont er. Interessant ist auch, dass
Ficker gerade in den Margules'schen und Exner'schen Beiträgen wesentliche
Vorarbeiten für die später formulierte Prolarfronttheorie von Bjerknes
sieht.Damit ist etwas angesprochen, das über Jahre hinweg die Gegensätze
zwischen der norwegischen Schule einerseits, und der österreichisch-deutschen
Schule andererseits, beinhaltet. Dies ist in gewisser Weise fast tragisch zu
nennen, denn der Beginn der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Bjerknes und
Ficker war überaus freundlich und vom aufrichtigen, gegenseitigen Respekt geprägt.
Einige Aspekte aus diesen Beziehungen müssen angesprochen werden, weil sie zum
Verständnis der späteren Jahre wichtig sind.
2.2. Bjerknes und
Ficker
Das Problem der
"Polarfronttheorie" kommt einerseits in einem Brief Ficker's an
Bjerknes vom 15. Oktober 1920 zum Ausdruck. Darin betont er, dass er anlässlich
eines Leipziger Besuches mit dessen das Problem erörtern konnte. Ficker
beklagt, dass - infolge der Kriesgauswirkungen- seine Arbeiten zu wenig
Beachtung gefunden haben. In seiner kritischen Lage bittet er Bjerknes deshalb
sowohl um allgemeine Literatur als auch nur solche zur Polarfronttheorie. Unter
dem 30. Oktober 1920 schrieb Bjerknes sofort zurück und bemerkte:
..." Leider können wir deshalb nur sehr wenig zurückschicken.
Denn seitdem wir den 'praktischen Weg' eingeschlagen haben, hat uns die 'Praxis'
überwältigt. Im Wesentlichen kann ich Ihnen daher nur ältere Arbeiten
schicken, die Ihnen zeigen werden, von welchem abstrakt entlegenen Gebiete ich
in die Meteorologie hineingeraten bin. Unwissenheit in der meteorologischen
Literatur müssen sie deshalb auch mir und den Meinigen vergeben. Hier in Bergen
sind wir außerdem oder waren wenigstens zu Anfang so ziemlich isoliert."
Unter dem 12. November 1920 bemerkt Ficker seine Freude über
Bjerknes' Hinwendung zur Praxis:
"Daß Sie, hochverehrter Herr Professor, von so
abstrakt-theoretischer Seite in die Meteorllogie gekommen sind, ist uns ein
ungeurerer Vorteil auch für die meteorlogische Praxis. Der Praktiker sieht ja
so oft den Wald vor lauter Bäumen nicht."
Zwei Jahre später macht Ficker in einem Brief an Bjerknes
indes bereits auf unterschiedliche Standpunkte aufmerksam, wenn er schreibt:
" Was das Depressionsschema selbst betrifft, so habe
ich bezüglich einiger Einzelheiten allerdings eine abweichende Auffassung. Nach
den Beobachtungen liegt die Stratosphäre nicht am tiefsten über dem warmen
Gebiete, sondern erreicht ihre tiefste Lage erst dann, wenn in den niederen
Schichten bereits eine niedrige Kältewelle im Gange ist. Auch bezüglich der
Vorgänge an der warmeren Front bin ich zum Teil anderer Ansicht. Ich vermissen
in Ihrem Depreissionsschema z.B. das antizykklonale Entwicklungsstadium mit
absteigender Luftbewegung...Der Hauptunterschied unserer Auuffassungen liegt
wohl darin, dap nach meiner Meinung die Vorgänge in der Stratosphäre eine
gewisse, aktivere Rolle spielen as ihnen in Ihrer Auffassung eingeräümt wird (Ficker,
27. Januar 1922)
Das Thema "Rolle der Stratosphäre für das
Wetttergeschehen" sollte weiterhin die Beziehungen Bjerknes/Ficker
bestimmen. Es führte auch zu einer gewissen Entfremdung der beiden Schulen. Es
wundert nicht, dass zunächst Ficker sowie später Ertel dieses Thema erneut
aufgriffen (siehe Ertel, 1931). Die Unterschiede Bjerknes/Ficker kommen in einem
weiteren Schreiben Ficker's vom 27. Februar 1923 zum Ausdruck:
"...Ich habe über Ersuchen Exner's für die Meteorol.
Zeitschrift ein langes Referat über die Polarfronttheorie geschrieben. ich
erlaube mir, seine Korrektur an Sie nach Gastein zu schicken. Dass ich sachlich
auf dem Boden der Polarfronttheorie stehe, ist Ihnen ja wohl bekannt. Ich fühle
mich aber andererseits verpflichtet, über die ähnlich gerichteten Bestrebungen
der österreichischen Meteorologie zu referieren, andererseits habe ich die
Empfindung, daß die neuesten Ergegnise der Theorie-Periodizität der Familien
etc. viel mehr als bisher durch empirisches Beweismaterial gestützt werden müssen.Es
wäre für mich, obwohl ich ausgesprochener und einseitiger Empiriker bin, natürlich
von höchstem Werte, wenn mir Ihr Besuch in Graz Gelegenheit zu einer persönlichen
Aussprache mit dem Schöpfer der Polarfronttheorie geben würde."
Der weitere,
nur sporadisch vorliegende Briefwechsel betrifft die Vortragsreise von Bjerknes
nach Berlin,. In einem weiteren Schreiben beglückwünscht Ficker Bjerknes zu
dessen Wahl zum Korrespondierenden Mitglied der Berliner Akademie (10. Mai 1928)
2.3. Das Berliner
Meteorologische Institut
Im Jahre 1923
wurde Ficker Professor für Meteorologie an der Universität Berlin sowie
Direktor des Preußischen Meteorologischen Instituts. Über seine Absichten
schreibt er an Bjerknes noch am 27. Februar 1923:
" Es wäre für mich von umso größerem Werte, als
ich in meiner neuen Stellung als Direktor des Preuß. meteorlogischen Institutes
meine Hauptaufgabe darin erblicken werde, die wissenschaftliche Tätigkeit des
Institutes in modernere, von Ihnen vertretene Bahnen, zu lenken."
In späteren Jahren ergaben sich indes Änderungen in der
Organisation des Instituts, das anfangs auch durchaus noch für die Lehrzwecke
genutzt wurde. Der größte Teil wurde jedoch 1934 in den
"Reichswetterdienst" überführt. Das was übrig blieb, bildete das
Universitätsinstitut, das Ficker als Direktor leitete (neben seiner Lehrtätigkeit
an der Universität sowie an der Akademie der Wissenschaften). Hinzu kommt, dass
er ab 1928-1945 zugleich Präsident der Internationalen Klimatologischen
Kommission war. Vor der efolgten Trennung hatte die meteorologische Bibliothek
Präsenzcharakter, d.h. die vorhandene Literatur konnte an Ort ind Stelle
eingesehen und genutzt werden. Die Verlagerung zum Reichswetterdienst brachte
zwar diesem einen Aufwärtstrend, machte jedoch für das verbliebene Universitäts-Institut
neue Überlegungen notwendig. Neben einem Neuaufbau bezüglich der Literatur
wurde schliesslich eine eigene Schriftenreihe,
begründet, die Ficker mit Ertel herausgeben sollte.
Für die Berliner Zeit war neben Ficker besonders A.
Defant sowie J. Bartels wichtig. Bartels war seit 1927 Privatdozent an der
Universität und wurde 1928 Professor. 1934 wurde er Professor für Geophysik an
der Fortswirtschaftlichen Hochschule in Eberswalde, 1936 war er Professor für
Geophysik an der Berliner Universität. und übernahm zugleich die Leitung des
Geophysikalischen Instituts in Potsdam,. Bartels war zusammen mit Ficker
Referent der Ertel'schen Dissertation "Theorie der durch Variationen
des magnetischen Potentials induzierten Erdströme bei ungleichförmiger
Leitfähigkeit der Erdrinde", mit der Ertel mit Auszeichnung promovierteVorübergehend
wirkte Ertel am Meteorologisch-Magnetischen Observatorium in Potsdam, doch
komnnte es ihn dort nicht lange halten.Zwar hätte es Bartels sehr gerne
gesehen, wenn Ertel bei ihm geblieben wäre, aber diesen zog es zurück nach
Berlin.
Neben der bereits von Ficker beabsichtigten modernen
Ausrichtung der Forschung,die auch das das spätere Universitäts-Institut
galt,wurden auch weitere Teilfragen der Meteorlogie umfassend gepfelgt.Die
Wettervorhersage verbleib dem Institut: Ficker selbst kam täglich zur
Mittagsprognose. Arbeiten zur Bio,- Agrar und zum Lokalklima wurden gefördert.
Die theoretische Ausrichtung lag später bei Hans Ertel, der zudem ab 1938 apl
Privatodzent die Theoretische Meteorologie vertrat.Übrigens fallen in diese
Zeit wichtige Begegnungen. So weilte der bekannte spanische Meteorologe F. Moran
in Berlin, machte Ertels Bekanntschaft, die jahrzentelang dauerte. Der
international bekannte amerikanische Meteorologe J. Namias hatte seinerzeit
beabsichtigt, in Berlin zu studieren und mit Ertel zusammenzuarbeiten. In
gewisser Weise hatte das frühere Universitäts-Institut vor über 70 Jahren
eine sehr nachhaltige internationale Ausstrahlung gehabt, die auch zunehmend mit
dem Bekanntheitsgrad von Hans Ertel zusammenhängt, dessen Arbeiten auch in
England und USA sehr wohl zur Kenntnis genommen wurden.
Bereits frühzeitig hatte Ficker Ertels Begabung erkannt
und so versuchte er, ihn an die Meteorologie zu binden . Andererseits hätte
auch Bartels gerne Ertel an seinem Institut gehabt. So kam es, dass Ertel
kurzfristig in Potsdam arbeitete, jedoch schnell in die Meteorologie zurückkehrte.
Aus dieser Zeit stammen auch einige Arbeiten aus dem Interessengebiet Bartels,
wie z.B. zur Grönlandddrift, Bewegung von Elektronen in inhomogenen
Magnetfeldern sowie zur Polfluchtkraft, Themen, die Ertel aufgegriffen hat und
die auch später in der Literatur immer wieder zitiert wurden
Die Potsdamer Tätigkeit hatte u.a. dazu geführt, dass
Ertel mit seinem Buch "Methoden und Probleme der dynamischen
Meteorologie" nicht pünktlich fertig wurde und immer wieder bei Springer
um Aufschub bitten musste.
Für die Wirksamkeit Ertel's sollten weitere Umstände gümnstig
sein: Ficker war Sekretar und Mitglied der Akademie. Hinzu kommt, dass swohl
Albert Defant (1884-1974) sowie Julius Bartels (1899-1964) der Akademie angehörten.
Alle waren bestens bekannt mitMax von Laue (1879-1960), Albert Einstein
(1879-1955), Max Planck (1958-1947) Schrödinger u.a., denen auch Ertel
vorgestellt wurde. Diese Gelehrten wurden rasch auf Ertel aufmerksam und förderten
ihn nach Kräften. So wundert es nicht, dass Ertel Themen auch aus dem Umfeld
Einsteins und Schrödingers aufgriff. Dies alles waren aber Nebenschritte, denn
Ertel kehrte jedoch zu Ficker zurück und widmete sich ganz der theoretischen
Meteorologie.
Aus dem eingangs erwähnten Briefwechsel Bjerknes-Ficker
war die Ähnlichkeit, aber auch der Gegensatz beider Persönlichkeiten deutlich
geworden. In die nachfolgende Zeit fiel die Diskussion um die Steuerung des
Wettergeschehens durch die Stratosphäre, die Frage der Zusammensetzung der
Depressionen sowie die weitergehende Ausarbeitung des Bejerknesschen Konzeptes.
Anlässllich der 17. Versammlung der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft in
Wien hatte sich Ertel mit diesem Komplex auseinandergesetzt. Kurz danach räumte
Bjerknes in seiner "Physikalischen Hydrodynamik" ausdrücklich die
Priorirät Fickers bei der Entdeckung der grossen Diskontinuitäten für die
Wetterentwicklung ein. Bjerknes betonte, dass es die norwegische Schule versäumt
hatte, den Ficker'schen Ergebnissen rechtzeitig zu folgen. Ficker selbst hatte
1935 nochmals die Frage des Einflusses der Stratosphäre auf die
Wetterentwicklung aufgegriffen. In die weitere Diskussion hatte Ertel insofern
eine Rolle gespielt, als er verschiedene theoretische Fragen, wie z.B. zur
zonalen Zirkulation, des atmopshärischen Druckschwankungen des Windfeldes an
der Tropopause, der Zyklonenbewegung usw. aufgegriffen hat. In zwei Monograpjien
hat Ertel das theoretische Gebäude der Meteorologie umrissen: Methoden und
Probleme der dynamischen Meteorologie, 1938 und Die theoretischen Grundlagen der
Meteorologie (1939). In beiden Bänden würdigt Ertel den norwegischen Beitrag,
aber auch Ficker's Beiträge werden hinreichend dargestellt,
Es wurde bereits erwähnt, dass das Meteorologische
Institut seit 1936 eine eigene Reihe "Veröffentlichungen..."
herausgab, Als Herausgeber zeichneten Ficker und Ertel.Das erste Heft dieser
Reihe ist die Ertelsche Abhandlung " Advektiv-dynamische Theorie der
Luftdruckschwankungen und ihrer Periodizitäten (1939).
Die weiteren Hefte beinhalten u.a. Beiträge von K Brocks, H. Ficker, J.
Jaw, S. Li, O. Schneider, K. Stumpff sowie I. Weiss.Von diesen Mitarbeitern
hatte Brocks später in Hamburg eine leitende Funktion inne, Schneider war
Vorsitzender des argentinischen IGY- und Antarktisprogramms und Jaw hatte eine führende
Rolle in China inne. Wiederholt wurde Ertel später auch von der Chinesisischen
Akademie der Wissenschaften eingeladen, da ihm in China eine ganz besondere
Wertschätzung und Verehrung galt.
Im Jahre 1937 übernahm Ficker das Direktorat der
Zentralanstalt für Meteorllgoei udn Geodynamik in Wien sowie die Professur für
Physik der Erde an derWiener Universität.
Kurz danach nahm Ertel am internationalen Projekt der
isentropen Analyse am MIT in Cambridge (USA) teil, wobei sich seine Beziehungen
zu Carl-Gustaf Rossby wesentlich vertiefen sollten. Die Freundschaft beider
Gelehrte hielt ein Leben lang an, und auch später trafen sich beide noch, so
u.a. bei der Jubiläumsfeier der Zentralanstalt für Meteorlogie in Wien.Später
versuchte Rossby immer wieder, Ertel in internationale Forschungsvorhaben der
Meteorologie einzubinden. Dass dies nicht klappte, lag sicher daran, dass Ertel
wegen seiner Tätigkeit als Vizepräsident der Deutschen Akademie der
Wissenschaften u.a. einfach keine Zeit mehr übrig hatte für weitere
Verpflichtungen.
Die weitere Zusammenarbeit Ertel-Ficker war seit dessen
Weggang im brieflichen zu suchen. Von Ficker wird berichtet, dass er gerne alle
schwierigen Probleme sammelte und diese dann an Ertel schickte. Dann dauerte es,
bis er alle erhofften Lösungen erhielt.
Zum 60.
Geburtstag von H. Ficker veröffentlichte Ertel 1941 in den
"Naturwissenschaften" einen sehr lesenswerten Beitrag (Ertel, 1941).
Zwar bemühte sich Ficker darum, Ertel nach Wien zu bekommen, doch dieser wollte
nicht. Ertel hatte schon damals alle anderen akademischen Möglichkeiten
ausserhalb Berlins abgelehnt. Lediglich 1943 nahm Ertel den Ruf nach Innsbruck
an, den er dann 1945 abgab.. Sein dortiger Nachfolger wurde A. Defant. Auch später
hate er Rufe z.B. nach Graz, München und Wien nicht angenommen. Besonders um die Berufung nach Graz sowie
Wien hatte sich Ficker gekümmert. Er hätte es gerne gesehen, dass z.B. Ertel
sein Nachfolger in Wien wird.
Dessen ungeachtet waren die Beziehungen Ertel-Ficker in
all den Jahren sehr herzlich. Ein Wiedersehen gab es auch anlässlich der 250.
Jahrfeier der Deutschen Akademie der Wissenschaften, an der eine Delegation der
Österreichischen Akademie teilnahm, so u.a. der Generalsekretär Keil und
Ficker. Ficker vertrat dabei zugleich auch die Wiener Universität. Stets war
Ficker auch daran interessiert, z.B. über Ertels Beziehung zu Rossby zu
erfahren. So fragte er Ertel u.a. in einem Brief vom 29. Januar 1950 " es würde
mich sehr interessieren, von Dir zu erfahren, wie der Besuch Rossbys ausserhalb
des Bräustübl ausgefallen ist. Ich kann mich in die neue Meteorologie nicht
mehr hineinfinden, wohl auch deshalb, weil noch keine gute Darstellung in
deutscher Sprache vorhanden ist. Es berührt mich fast komisch, dass trotz der
Ausbildung von Reuter (Reuter war später Professor für theoretische
Meteorologire in Wien) in Stockholm und dem Kurs Dr. Keltters in Kssingen und
ihres Bemühens, in der Synoptik nach Scherhag und Rossby zu arbeiten, in der
Praxis sich doch meine alten Bauernregeln am besten bewähren." In diesem
Zusammenhang mag auch an ein Schreiben vo Defant an Ertel unter dem 17. Juli
1954 erimnnert werden, als sich dieser für die Glückwünsche der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu seinem 70. Geburtstag bedankt, die Ertel verfasst
hatte. Er schreibt u.a. " Ihre Zeilen,,, haben mir die schönen Zeiten
meiner erfolgreichsten Jahre in Berlin lebhaft in Erinnerung geracht und des
Zusammenseins mit Ihnen."
Mit der Wahl zum korrespondieren Mitglied der Österreichischen
Akademie der Wissenschaften hatten sich Ertels Beziehungen zu Österreich weiter
vertieft. In dem Wahlvorschlag
lobte Ficker Ertel u.a. als den besten Theoretiker im deutschen Sprachraum.
Ertel selbst war über die Wahl sehr erfreut und hatte später bei einer Tagung
1965 nochmals Gelegenheit Wien wiederzusehen und alte Freunde der Akademie, u.a.
A. Defant und F. Steinhauser, zu treffen. Fickers Tod hat Ertel sehr betroffen
gemacht. In einem ersten Nachruf (Ertel
1958) schrieb er " Mit tiefem Schmerz empfinden wir Meteorologen den
Verlust dieses Mannes, in dessen ganzem Wesen die Eigenschaften eines
klarblickenden Forschers mit der warmen menschlichen Herzensgüte eines edlen
Charakters harmonisch zusammenklangen.
An die Österreichische
Akademie der Wissenschaften schickte die Deutsche Akademie der Wissenschaften,
folgenden, von H. Ertel Brief: " Die Deutsche Akademie der Wissenschaften
zu Berlin bringt in tiefer Trauer der Österreichschen Akademie der
Wissenschaften zum Hinscheiden ihres Vizepräsidenten und Präsidenten der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse Prof em. Dr. Dr. h.c. Heinrich
Ficker ihr aufrichtiges Beilieid zum Ausdruck.
Mi6 dem Dahingeschiedenen hat die meteorologische
Wissenschaft einen Forscher von höchstem Rang und einen Altmeister ihres Faches
verloren, der mit begeistertem Streben nach Erkenntnis der Natur schlichte
Vornehmheit seines Charakters, Lauterkeit seiner Gesinnunhg und tiefinnige
Herzensgüte hamonisch verband.
Die Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin wird
diesem hochverdienten Geelhrten und guten Menschen dauernd ein ehrendes Gedenken
bewahren.
In aufrichtiger Anteilnahme, Hans Ertel."
Das waren Worte, die auch für Ertel selbst galten. Im Jahrbuch der
Deutschen Akademie der Wissenschaften für 1962 hat Ertel dann einen ausführlicheren
Nachruf geschrieben (Ertel, 1963).
Fast dreißig
Jahre verband Ficker und Ertel eine besondere, im Laufe der Zeit tief gewachsene
Freundschaft, die ihresgleichen sucht. Ficker hat selbstlos den
wissenschaftlichen Werdegang Ertels gefördert. Er hat ihn bekannt gemacht und
eingeführt in die wissenschaftliche Welt Einsteins, Plancks, Laues, Schrödingers
u.a., die ihrerseits Ertel mit Herzlichkeit aufnahmen und umfassend förderten.
So konnte sich Ertel in beispielloser Weise unter der Obhut und Güte
weltbekannter Wissenschaftler zu einem hervorragenden Gelehrten entwickeln.
3. Ausblick
Es ist wiederholt, auch in der Meteorologie, von
wissenschaftlichen Schulen die Rede gewesen. Man spricht von der Chicago Schule,
von der nrowegischen Meteorologenschule, so dass gefragt werden kann, wie es im
deutschen Sprachraum ist. Sicher hat Ficker, aber auch Ertel, keine
wissenschaftliche Schule gebildet. Beide waren sich einig darin, die
individuellen Möglichkeiten der ihnen anvertrauten Menschen zu fördern, so gut
es ging. Gerade in der Bandbreite der Begabungen sahen sie die Chance für den
wissenschaftlichen Werdegang und so wundert es nicht, dass aus ihrem Zuhörerkreis
viele Themen behandelt wurden, die die gesamte Geophysik und Meteorologie
abdecken. Gerade darin lag die Ausrichtung dieser beiden akademischen Lehrer.Die
Begbaungsvielfalt war es, die gefördert wurde.
Später hat sich Ertel, nach Gründung des Instituts für
Physikalische Hydrographie, besonders den praktischen Problem zugewandt. Das
Institut, eine zeitlang international führend in verschiedenen Teilgebieten der
Hydrodynamik und physikalischen Hydrographie, gab ausserdem ab 1953 eine eigene
Schriften reihe heraus: die Acta Hydrophysica.Sie sollte die Theoretiker und
Praktiker zusammenführen, wie dies schon Leibniz gefordert hatte. Im Laufe der
Jahre, Ertel gab die Zeitschrift bis 1971 heraus, erschienen auch viele
Arbeiten, die sowohl den theoretischen Aspekt als auch den praktischen Nutzen für
die Volkswirtschaft berücksichtigten. Überdies wurde die Zeitschrift als
Tauschobjekt mit anderen Institutionen in aller Welt genutzt, wodurch Ertels
Institut sehr viele ausländische Bücher und Zeitschriften erhielt, etwas, was
durchaus damals sehr wichtig war.Interessant ist auch, dass, fast an Fickers
praktische Richtung erinnernd, auch Ertel praxisorieniert die Forschungsthematik
des Instituts sah. Lange bevor überhaupt in der Geophysik von ökologischen
Fragestellungen gesprochen wurde, hatte das Institut für Physikalische
Hydrograpphie international bedeutende Probleme der Geo-Ökologie sowie des
Umweltschutzes in den Grundzügen bearbeitet. Hierzu zählt auch die vom
Institut herausgegebene " Quellensammlung zur Hydrographie und
Meteorologie", die Curt Weikinn, der von Ertel ans Institut geholt worden
war, erfolgreich zusammenstellen konnte. Das Werk hat höchste internationale
Anerkennung gefunden, so z.B in Rezensionen . von H. E Landsberg(USA), H. Lamb
(England) und A. Rethly (Ungarn) u.a.
Für die Entwicklung der Meteorologie war die Begegnung Ficker-Ertel ein Glücksfall. Dadurch, dass Ficker Ertel sozusagen "entdeckte", dessen Werdegang positiv begleitete und Ertel sich somit umfassend entwickeln konnte, erwuchs der Erkenntniszuwachs in den meteorologischen und geophysikalischen Disziplinen. Fickers und Ertels Beziehung ist ein Beispiel der harmonischen Entwicklung eines gütigen Lehrers für seinen Schüler, wobei sich dieser ganz im Geiste Fickers ebenso gegenüber allen verhielt, die sich auf den Weg der Wissenschaft machten.
Ungedruckte Quellen: Die Briefe Ficker/Bjerknes befanden sich vor Jahren in der
Handschriftenabteilung der UB Oslo.
Danksagung: Der Universitätsbibliothek Oslo sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
danke
ich für freundliche Hilfen.
Literatur
Bjerknes, V, J. Bjerknes, H. Solberg und T. Bergeron,
Physikalische Hydrodynamik mit Anwendung auf die dynamische Meteorologie..
Berlin, Springer, 1933.
Ertel, H., Theorie der durch Variationen des magnetischen
Potentials induzierten Erdströme bei ungleichförmiger Leitfähigkeit der
Erdrinde. (Inaug.Diss. 1932), Archiv f. Erdmagentismus, Heft 8, 1932.
Ertel, H., Der Einfluß der Stratosphäre auf die Dynamik
des Wetters. Meteorol. Z. 48, 461, 1931.
Ertel, H., Singuläre Advektion und ihre Darstellung durch
C. G. Rossbys Advektionsfunktion. Veröff. Meteorol. Inst. U Berlin I, Heft 6
(1936).
Ertel, H., Methoden und Probleme der dynamischen
Meteorologie. Berlin, 1938, Springer
Ertel, H., Die theoretischen Grundlagen der dynamischen
Meteorologie. Meteorol.. Taschenbuch V. Ausg., hg von F. Linke, Leipzig, Bahrt,
1939
Ertel, H., Elemente der Operatorenrechnung mit
geophysikalischen Anwendungen. Berlin 1940, Springer
Ertel, H., Heinrich von Ficker zu seinem 60. Geburtstag am
22. November 1941. Naturwiss. 29, 697, 1941.
Ertel, H., 1957: Schreiben an die Österreichische
Akademie der Wissenschaften (Archiv Österr. Akad. Wiss., Personalakt Heirnich
von Ficker, Mappe 1)
Ertel, H., Heinrich Ficker. Jahrbuch deutsche Akadem.
Wiss. zu Berlin 1962, Berlin, 1963, Akademie-Verlag
Ficker, H., Der Einfluß der Stratosphäre auf die
Wetterentwicklung. Naturwiss. 23, 552, 1935
Schröder, W., Nachruf auf Hans Ertel, Wetter und Leben,
1971, Heft 4.