Naturwissenschaft und  Religion

  (Zum Verhältnis von Physik und christlichem Glauben)

  Von Wilfried Schröder

1. Vorbemerkung

  Seit Jahrhunderten schon ist das Gespräch zwischen Naturwissenschaft und Religion im Gange, wenngleich immer wieder von Widersprüchen und Mißverständnissen geprägt.

Die Stellung der Kirche in der aufbrechenden Neuzeit gegenüber den einsetzenden naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die Prozesse um Giordano Bruno und Galileo Galilei sind vielfach unvergessen und haben das Verhältnis der Disziplinen lange Zeit hinweg belastet.

  In der Neuzeit haben sich zahlreiche Naturwissenschaftler immer wieder zu Fragen der Religion sowie des Glaubens geäußert. Dazu gehören z.B. die Physiker Albert Einstein, Otto Heckmann, Werner Heisenberg, Pascual Jordan sowie Max Planck. Im Verständnis des heutigen Weltbildes sowie der Entwicklung der Physik spielen diese Gelehrten eine entscheidende Rolle. Ihre Arbeiten bildeten vielfach die Basis für ein Neuverständnis der Physik und leiteten eine neue Herangehensweise in der physikalischen und verwandten Forschung ein.

  2. Max Planck und Albert Einstein

  Max Planck wurde 1858 in Kiel geboren und verstarb 1947 in Göttingen, wohin er in den Wirren des Zweiten Weltkrieges gelangt war. Seine entscheidende wissenschaftliche Entdeckung des elementaren Wirkungsquantums (1900) bildete sozusagen den Schlüssel zur Mikrophysik und zum Aufbau der Materie.

In seinen späteren Lebensjahren, nach Erhalt des Nobelpreises, hatte er leitende Funktionen, z.B. bei der Berliner Akademie der Wissenschaften, inne. Aufgrund seines öffentlichen Amtes sowie seiner Vorlesungstätigkeit an der Universität wurde er immer wieder um Äußerungen zu philosophischen sowie verwandten Fragen gebeten.

In diesem Kontext entstand auch sein wichtiger Beitrag "Wissenschaft und Glaube", den er als Weihnachtsartikel 1930 veröffentlichte. Seinen darüber hinausgehenden Vortrag " Religion und Naturwissenschaft " hat er später publiziert. Darin skizzierte er schärfer die Probleme im Zusammengehen bzw. die Distanz zwischen Disziplinen und " Vorgehensweisen" , um die Wahrheit zu entziffern.

Bei Planck muss noch bedacht werden, dass er bei verschiedenen Gelegenheiten Äusserungen zum Thema gemacht hat. Gerne wird sein Brief an den Dipl.Ing Kick genutzt, um eine Unverträglichkeit von Glauben und Wissenschaft bei Planck zu konstatieren. In seiner Antwort hatte Planck bemerkt, dass er nicht an einen persönlichen bzw. christlichen Gott glaube. Dieser Brief ist im Juni 1947 geschrieben worden, also zu einer Zeit, als Planck unter extrem ungünstigen Verhältnissen lebte und daran litt. Eine solche Äusserung sollte nicht überbetont werden, denn kein Mensch wird begeistert von einem persönlichen Gott sprechen, wenn er in einer elenden Notsituation lebt. Das können wohl nur Wenige, die vollends im tiefen Glauben stehen, weniger aber Jene, die zwar dem Glauben verbunden, gleichwohl ihm nicht innerlich verfestigt sind. Generell geht es bei Planck ja auch nur darum, sein grundsätzliches  positives Verhältnis von Wissenschaft und Glauben zu artikulieren, daran ändern auch diese und jenen Einzeläusserungen nichts. Gegner des positiven Gesprächs von Wissenschaft und Glauben hingegen lehnen kontinuierlich die Verbindung ab.

  Albert Einstein wurde 1879 in Ulm geboren und verstarb 1955. Um jeglichen Kult um seine Person zu verhindern, wurde seine Asche verstreut., so daß es in diesem Sinne kein aufsuchbares Grab gibt.

Seine entscheidenden Beiträge zur speziellen und allgemeinen Relativitätstheorie erschienen zwischen 1905 und 1917. In jenen Jahren war Max Planck Herausgeber der international führenden Zeitschrift " Annalen der Physik ", in der er  wiederholt Arbeiten von Einstein aufgenommen hatte, obwohl sich beide nicht kannten. Einstein war zu Beginn seiner Laufbahn noch ein nichtpromovierter Techniker am Berner Patentamt. Das alles störte indes Max Planck nicht, Einsteins Arbeiten anzunehmen, obgleich er einigen davon durchaus skeptisch gegenüberstand. Rasch hatte indes Planck die Bedeutung der Einsteinschen Rechnungen zur Relativitätstheorie erkannt und sie veröffentlicht. In späteren Jahren kam Einstein nach Berlin, wurde Akademiemitglied und war immer wieder mit Planck zusammen. Es ist fast eine Ironie des Schicksals, daß ausgerechnet  als Planck Sekretär der Akademie war, Einstein eben diese Institution verließ. In seiner neuen amerikanischen Heimat setzte er seine Studien fort, nahm nie wieder eine Auszeichnung aus Deutschland an, wenn man von der Ehrenbürgerschaft des Fleckchen Caputh absieht.

Einstein hatte sich stets anders verhalten als z.B. Max Born und James Franck, beides auch Nobelpreisträger

3. Entkoppelt: Erkenntnis und Ethik

  Aufgrund seiner Weltberühmtheit wurde Einstein - ebenso wie Planck, später auch Heisenberg - bei verschiedenen Anlässen immer wieder um Auskünfte zu Gott, Philosophie und die Religion im allgemeinen gebeten. Das ist der Hintergrund verschiedener Äußerungen, die ihn in die Verhältnisbestimmung Religion-Naturwissenschaft brachten..

 Beide-  Einstein und Planck - sind als Naturwissenschaftler, eigentlich theoretische Physiker, mit den Problemen der Religion im breiteren Umfeld stets nur zufällig zusammengetroffen.Beide unterschieden als Kantianer theoretische und praktische Vernunft voneinander, d.h. zwischen Erkenntnis und Ethik. Die Religion wurde gesehen als von der Erkenntnis entkoppelt. Beide meinten, daß die Wahrheit und Erkenntnis stets unabhängig ist von der Gesinnung und dem Glauben des Erkennenden. Die Erkenntnis wird als ethisch neutral hingestellt; es geht nicht nur um die Frage gut oder schlecht, sondern vielmehr um wahr und falsch. Aus dieser Sicht haben also Religion und Naturwissenschaft nichts miteinander zu tun.

  Andererseits ist wegen der Erkenntnis und Wertneutralität z.B. die Physik ungeeignet, irgendwelche Zielvorstellungen für den Menschen zu geben. Postulate für das menschliche Tun folgen demnach nicht aus der Erkenntnis; sie sind stets Imperative im Sinne Kants und finden in den Lehren, z.B. der großen Religionsstifter ihren Widerhall. Grundlage letztlich ist der kategorische Imperativ im Menschen im Sinne des Gewissens, wie es beispielsweise die großen Religionen bzw. viele Weltanschauungen kennen,. Das hat aber im Verständnis von Einstein und Planck nichts mehr mit der exakten Vorgehensweise der naturwissenschaftlichen Forschung zu tun. Hingegen verstehen sie die Religionen als Orientierungshilfen für den Menschen, die in den großen Vorbildern und Lehrern eben dieser Gemeinschaften eine Richtschnur finden können. Die Lehren, die den Religionen zugrunde liegen, sie sind es, die dem Menschen Richtung und Weg sein können.

4. Loskommen vom Subjektiven

   Für Einstein gilt, daß das ethische Tun des Menschen unabhängig ist von den vorgegebenen religiösen Dogmen und anderen Glaubensaussagen. Er entkoppelt Ethik und Dogma und betont auch, daß z. B. Religion an sich unabhängig vom Gottesbegriff aufzufassen ist (1). In diesem Zusammenhang verwies er gerne auf Spinoza und Buddha.

Planck hingegen meint, daß Religionen durchaus Richtlinien sein können für ethisches Tun, etwas, was er im dem Ausruf enden ließ " Hin  zu Gott." Indes darf dies nicht interpretiert werden als ein persönliches Glaubensbekenntnis zum christlich verstandenen Gott; so etwas hat Planck niemals explizit ausgedrückt. Es ist vielmehr zu werten als Chiffre " hin zu einem persönlichen Gott."

  Die Frage nach Gott, an sich die Frage, welcher Gott denkbar sei, wurde von Planck und Einstein als sinnlos zurückgewiesen, denn dies wäre für sie eine Frage an die menschliche Erkenntnis. In diesem Sinne aber weisen sie darauf hin, daß Gott nicht erkennbar ist. Jesus wird verstanden im Sinne eines ethischen Vorbildes. Dessen ethische Bedeutung ist so groß, daß gemäß Planck die Chiffre Gottes Sohn durchaus gebraucht werden könnte. Für Einstein hingegen käme etwa eine Gleichsetzung Jesus mit Gandhi in Betracht.

  Wenn vom religiösen Glauben dieser beiden Naturforscher gesprochen wird, liegen folgende Aspekte nahe: letztlich ist es eine Entscheidung des Glaubens an einen ständigen Fortschritt der Erkenntnis, um mehr und mehr vom Subjektiven loszukommen, um zu einer vollkommenen (mathematischen) Erkenntnis zu gelangen. Vielleicht kann man in dem Erkennen der weiteren Strukturen ein Erkennen der Gedanken Gottes (oder seines Wirkens) sehen.Nur sollte man sich hüten, Aussagen von Planck und Einstein dahingehend zu deuten, um etwa die christliche Religion, den Glauben und seine Aussagen zu "beweisen" bzw. aufzuzeigen.

  Es sollen noch einige Aussagen zu Werner Heisenberg hinzugefügt werden, der ebenso wie Planck und Einstein Nobelpreisträger der Physik war. Heisenberg hat sich bei verschiedenen Gelegenheiten zum Verhältnis Glaube und Wissenschaft geäußert. Frühzeitig kam dies in seinen Arbeiten " Erste Gespräche über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion " (1927), " Positivismus, Metaphysik und Religion " (1952) und "Naturwissenschaftliche und religiöse Wahrheit " (1973) zum Ausdruck. In Physik und Philosophie (1959) greift Heisenberg jene Probleme auf, die im Laufe der Jahrhunderte offenkundig geworden sind. In dem darin erwähnten Teil "Erste Gespräche über das Verhältnis von Naturwissenschaft und Religion" werden auch Paul Dirac sowie Wolfgang Pauli, beides auch Nobelpreisträger, genannt. Ausgangspunkt der Erörterung war der Hinweis darauf, daß Einstein doch häufig vom "lieben Gott" gesprochen habe. Heisenberg nahm zunächst eine Deutung der Planckschen Position vor. Er sagte, daß die Naturwissenschaft mit der objektiven, die Religion mit der subjektiven Wirklichkeit zu tun haben. Allerdings schien diese strikte Trennung auch Heisenberg nicht ganz geheuer.Es sei nämlich fraglich, "ob menschliche Gemeinschaften auf die Dauer mit dieser scharfen Spaltung zwischen Wissen und Glauben leben könnten." (S. 102). Dem pflichtete auch Pauli bei, der dazu bemerkte: " Die vollständige Trennung zwischen Wissen und Glauben ist sicher nur ein Notbehelf für sehr begrenzte Zeit" (S. 103).

Schließlich nutzt Pauli den Begriff der Komplementarität und bemerkt, daß eben dieser den Geisteswissenschaften keineswegs fremd sei, bevor ihn Niels Bohr bei der Deutung der Quantentheorie einbrachte. Die weitere Entwicklung sieht Pauli so, daß es nicht nur zu einer verständnisvollen Einstellung der (Natur)wissenschaften zur Religion kommen wird, sondern vielleicht sogar so, daß ein Beitrag zu "der Welt der Werte" (S. 104) geleistet werden kann.

  Gegenüber Heisenberg und Pauli nahm hingegen Dirac eine sehr schroffe Ablehnung der Religion ein, indem er bemerkte " Ich kann mit den religiösen Mythen grundsätzlich nichts anfangen..., schon, weil sich die Mythen der verschiedenen Religionen widersprechen." (S. 106).

  Heisenbergs Haltung, die in gewisser Weise derjenigen von Planck ähnelt, wird hierdurch nicht berührt.Er macht darauf aufmerksam, was einmal von Niels Bohr bemerkt wurde. In einem Gespräch hatte dieser gesagt, daß "über Religion kann man wohl nicht so reden. Mir geht es zwar so wie Dirac, daß mir die Vorstellung eines persönlichen Gottes fremd ist. Aber man muß sich doch vor allem darüber klar sein, daß in der Religion die Sprache in einer ganz anderen Weise gebraucht wird als in der Wissenschaft." (S. 107). Bohr bemerkt noch, wie problematisch die Hervorhebung des Begriffs "objektiv" sei, da hierzu die physikalische Forschung, nicht zuletzt durch die Quantenmechanik - und theorie, eine Fülle von Fragen aufgeworfen habe. Im weiteren Verlauf greift Heisenberg die Determiniertheit des Geschehens auf, wobei Bohr darauf hinweist, daß eben diese Determiniertheit " als Argument dafür verwendet wird, daß jetzt wieder Raum für den freien Willen des Einzelnen und auch Raum für das Eingreifen Gottes geschaffen sei." (S. 111).

Im Weiteren macht Heisenberg deutlich, daß eine zu enge Fassung der Argumentationen, insbesondere auch die nach der erkenntnistheoretischen Seite der Religion, nicht gefaßt werden kann.

  In seiner Arbeit " Positivismus, Metaphysik und Religion" (1952) berührt Heisenberg weitere Fragen des gemeinsamen Gesprächs. Dabei bemerkt er, daß Pauli ihm folgende Frage gestellt habe: " Glaubst du eigentlich an einen persönlichen Gott? Ich weiß natürlich, daß es schwer ist, einer solchen Frage einen klaren Sinn zu geben, aber die Richtung der Frage ist doch wohl erkennbar?" (S. 252-53). Heisenberg formuliert die Frage anders: "Kannst du, oder kann man der zentralen Ordnung der Dinge oder des Geschehens, an der ja nicht zu zweifeln ist, so unmittelbar gegenübertreten, mit ihr so unmittelbar in Verbindung treten, wie dies bei der Seele eines anderen Menschen möglich ist? Ich verwende hier ausdrücklich das so schwer deutbare Wort 'Seele', um nicht mißverstanden zu werden. Wenn du so fragst, würde ich mit Ja antworten..." (S. 253).

  Bei Heisenberg konkretisiert sich eine zentrale Ordnung, wobei auch zum Tragen kommt, daß die ethischen Normen der (christlichen) Religion, die jeweils und stets unmittelbar wirken und auch nicht weggedacht werden können (S. 253) Es wird auch gesagt: " so findet man doch immer wieder den Wertemaßstab des Christentums auch dort, wo man mit den Bildern und Gleichnissen dieser Religion schon längst nichts mehr anfangen kann. Wenn einmal die magnetische Kraft ganz erloschen ist, die diesen Kompaß gelenkt hat - und die Kraft kann doch nur von der zentralen Ordnung her kommen - so fürchte ich, daß sehr schreckliche Dinge passieren können, die über die Konzentrationslager und die Atombombe noch hinausgehen." (S. 254).

In einem weiteren Zusammenhang geht Heisenberg nochmals der Frage Naturwissenschaft-Theologie nach. Er sagt: " Obwohl ich nun von der Unangreifbarkeit der naturwissenschaftlichen Wahrheit in ihrem Bereich überzeugt bin, so ist es mir doch nie möglich gewesen, den Inhalt des religiösen Denkens einfach als Teil einer überwundenen Bewußtseinsstufe der Menschheit abzutun, einen Teil, auf den wir in Zukunft zu verzichten hätten. So bin ich im Laufe meines Lebens immer wieder gezwungen worden, über das Verhältnis dieser beiden geistigen Welten nachzudenken; denn an der Wirklichkeit dessen,auf das sie hindeuten, habe ich nie zweifeln können." (S. 339, Naturw. und rel. Wahrheit).

Auch Heisenberg setzt sich mit den historischen Stufen des Wirkens von Naturwissenschaft und Religion auseinander. Dabei kommt auch der bekannte "Fall" Galilei zur Sprache. Interessant ist seine Deutung, wenn er bemerkt, " daß hier beide Seiten glauben mußten, im Recht zu sein. Die kirchliche Behörde und Galilei, beide waren in gleicher Weise überzeugt, daß hier hohe Werte in Gefahr waren und daß es ihre Pflicht sei, sie zu verteidigen. (S. 345, ibd).

  Der "Fall" Galilei ist gerne von Gegnern des christlichen Glaubens  genutzt worden, um die  angebliche Starrheit der Kirche darzustellen. Tatsächlich zeigen neuere Untersuchungen, daß dem so nicht ist. Wie Brandmüller (1982, 2006) bemerkte, muß man diesen sog. Fall "Galilei" anhand der Quellen anders wichten und kommt dann zu dem Ergebnis, was auch Heisenberg schon andeutete. Aus der damaligen historischen Sicht konnte die Kirche gar nicht anders entscheiden. Es muß bedacht werden ihre Verantwortung für die Menschen, die in einem geozentrischen Weltbild lebten. Für sie hätte jegliche plötzliche Änderung eine Überforderung bedeutet. Die neue Sicht der Erde setzte erst ein, wobei gleichwohl den römischen Kirchenvertretern die Aussagen eines Kopernikus wohlbekannt waren. Die breite Masse des Volkes aber wußte damit überhaupt nichts anzufangen.

Übrigens kann man dies an einem anderen Beispiel verdeutlichen: In der beginnenden Neuzeit wurden ungewöhnliche Himmelsereignisse (Kometen, Nordlichter) stets als "erschroeckliche Gesichte" gewertet, die Gottes Gericht ankündigten bzw. auf Ungemach hindeuteten (s. Schröder, 1984). Dies hielt sich bis in das 18. Jahrhundert. Erst mit dem Nordlicht vom März 1716 (!) gelang durch die Interpretation von Ch. Wolff in Halle eine Umdeutung und Neugewichtung. Danach, aber erst danach, setzte sich die Erkenntnis durch, daß es sich bei diesen Erscheinungen um natürliche Erscheinungen der Erdatmosphäre handelte.

 Das war lange Zeit nach Galilei. Zu seiner Zeit konnte es keine andere Lösung geben, als die der damaligen Zeit, zumal Galilei selbst eine sehr indifferente Rolle im Verfahren spielte. Übrigens sollte auch nicht übersehen werden, wie Galilei wenig zimperlich mit seinen Gegnern umsprang. Der Jesuitenpater Ch. Scheiner, der ebenfalls die Sonnenflecken frühzeitig entdeckt und beschrieben hatte, wurde von ihm aufs Übelste beschimpft. Der eigentliche Entdecker der Sonnenflecken, Johann Fabricius aus Osteel (Emsland), der 1611 die erste Schrift zu diesem Phänomen in Wittenberg drucken ließ, wurde erst gar nicht erwähnt.

Die Diskussion um Galilei ist, nachdem Brandmüller den historischen Kontext dargelegt hat, nicht geeignet, eine wissenschaftsfeindliche Stellung der Kirche abzuleiten. Es ist sinnlos, dieses Verfahren aus heutiger Zeit zu werten, man muß es aus der damaligen Sicht sehen. Heisenberg hat dies frühzeitig so gesehen, nur haben viele Autoren seinen Text nicht gelesen.

Mit seiner Darstellung zu Galilei macht Heisenberg zugleich auch nochmals die unterschiedlichen Positionen deutlich, wenn er schreibt: " die religiöse und naturwissenschaftliche (Sprache) auseinanderhalten müssen,..., gehört auch, daß wir jede Schwächung ihres Inhalts durch ihre Vermengung vermeiden müssen. Die Richtigkeit bewährter naturwissenschaftlicher Ergebnisse kann vernünftigerweise nicht vom religiösen Denken in Zweifel gezogen werden, und umgekehrt dürfen die ethischen Forderungen, die aus dem Kern des religiösen Denkens stammen, nicht durch allzu rationale Argumente aus dem Bereich der Wissenschaft aufgeweicht werden." (S. 348, Naturw. und rel. Wahrheit).

  Damit ist alles gesagt, was auch in gewisser Weise bei Planck zum Ausdruck kam: Beide Wissenschaften bzw. die jeweiligen Disziplinen haben ihre eigene Begründung und Wirksamkeit, die nur bedingt in die andere, wenn überhaupt, reichen kann und darf. Gesicherte naturwissenschaftliche Erkentnnisse können nicht angezweifelt werden, sie entziehen sich auch der biblischen Hinterfragung. Das wäre auch nicht angemessen, denn das Weltbild der Bibel ist ein anderes als das der heutigen Physik. Beides kann man nicht vermengen, wie es Planck sagen würde. Daß andererseits die exakten Naturwissenschaften an Grenzen ihrer Erkennbarkeit gelangen, wer wollte dies bestreiten? Mit Sicherheit macht dies kein ernsthafter Physiker. Wie mit dem "Letzten" umgegangen wird, wie es benannt wird oder eingeordnet, das entzieht sich dem Aufgabenfeld der exakten Naturwissenschaft. Wenn der Christ an den Anfang Gott setzt, so ist das - aus seiner Sicht - konsequent und richtig. Der Physiker wird dies ebenso wenig wie der Astronom werten wollen. Auch die Wirksamkeit der ethischen Gesetze entzieht sich der Einflußnahme der exakten Wissenschaft, denn sie liefert keine ethischen Handlungsweisen. Das fällt auch nicht in ihre Zuständigkeit. Leider ist diese unterschiedliche Aufgabenstellung, das jeweilig andere Verständnis, immer wieder mißachtet worden, oft von beiden Seiten. Dadurch sind manche Mißverständnisse entstanden und haben sich oft lange gehalten.  Wie Planck schon betonte, kann die Physik  keine Ethik liefern, sie will es auch nicht, hat es niemals gewollt. Ethische Prinzipien werden in der Sprache der christlichen Religion ausgedrückt und finden dort ihre Rechtfertigung, die zugleich als Hilfe im Leben der Menschen große Dienste leisten kann.

  Damit sehen wir die Grenzen, aber auch Chancen der Disziplinen. Wie Planck in einem anderen Zusammenhang  sagte, aufeinander zu, nicht voneinander weg, bewegen sich Physik und christlicher Glaube und treffen sich in der gemeinsamen Verantwortung für Welt und Mensch

  5. Das Gespräch und Verstehen

  Das Bekenntnis, die Schöpfung sei Gottes Werk, erwächst aus der vorab gefallenen Entscheidung eines Glaubenden. Dieser bejaht damit bereits die Schöpfung als Gottes Werk. Schmaus hat dies so ausgedrückt, wenn er sagt "daß aber sie (die Heilige Schrift) nicht naturwissenschaftlicher Erkenntnis, sondern unserem Heile dient." (Schmauss 1949, S. 30-31)  Ein Widerspruch zwischen der in der Bibel vermittelten Schöpfung und der heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnis liegt schon deshalb nicht vor, weil es eine Glaubensaussage ist, die eine andere, erweiterte Wirklichkeit umfaßt als jene des Objekts, die die Wissenschaft kennt.

 Gott kann niemals Objekt sein, er ist Person, dreifältige Person - der dreipersönliche Gott. Er entzieht sich  der Welt, die  der Mensch mit dem Verstand durchforschen soll und darf. Doch Gottes Welt durchforschen kann der Mensch nicht. Da ist der Mensch auf die Offenbarung Gottes angewiesen. Des Menschen Verstand aber kann einsehen, daß wir glauben müssen, und glauben können, denn Gott hat dem Menschen nichts Widersinniges vermittelt, vor allem hat er seine Liebe offenbart, die sich vor allem auch in den  zehn Geboten konkretisiert. Sie sind die Grundlage zum Miteinander in dieser Welt. Überschreitet der Mensch diese Gebote Gottes geht es in der Tat drunter und drüber in der Welt, weil es dann kein liebendes Miteinander gibt.

Insofern kann also Gott niemals "Objekt" des Glaubens sein, da die Wissenschaft jedoch mit der Objektfülle arbeitet, schließen sich beide Wirklichkeiten aus, mit anderen Worten, sie besagen und beschreiben eine unterschiedliche Wirklichkeit, wobei gleichwohl die Glaubensaussage beinhaltet, daß Gott Schöpfer eben dieses Universums und dieser Wirklichkeit ist.

  In moralischer Hinsicht schließen sich beide Wirklichkeiten - Wissenschaft und christlicher Glaube - aus, da die (Natur)wissenschaft keine moralischen Aussagen (siehe Heisenberg, Planck, Heckmann) machen kann und auch nicht will. Diese obliegen der Religion, in diesem Falle dem christlichen Glauben, der seine Begründung in der christlichen Botschaft und Christi Sendung hat. Ein Beispiel aus einer Ansprache von Papst Benedikt XVI mag dies ergänzen.

 Er sagte beim Angelusgebet " Das in der Taufe empfangene neue Leben ist nicht der Verwesung und der Macht des Todes unterworfen. Für den, der in Christus lebt, ist der Tod der Übergang von der irdischen Pilgerschaft zur himmlischen Heimat..." ( L'Osservatore Romano, Nummer 44, 2005).

  Der Papst, noch in seiner Eigenschaft als Kardinal, hat dies nochmals anders klar formuliert,  als er über 1 Kor 15,14 - 19,32-34 schreibt: " Die hier gegebene Antwort ist eindeutig: Der Christ hofft auf die Auferstehung der Toten. Dies muß zunächst unzweideutig gsagt werden, auch wenn es heute naiv-mystisch klingen mag und alles dazu drängt, die Aussage interpretatorisch zu schwächen und umzuwandeln, noch ehe sie formuliert ist. Wo sie nicht gemacht wird, hat man bereits den Weg der Ausflüchte beschritten." (Ratzinger, 2005, S. 70).

Damit ist alles gesagt. Was sollte "die" Wissenschaft dazu auch sagen? Auf ihre Ergebnisse hinweisen, die dies ausschließen? Was besagte dies? Nichts. Es mag für die Wirklichkeit der Wissenschaft Bestand haben, kann jedoch den Glauben weder widerlegen noch berühren. Die Glaubensaussage ist unantastbar und in sich schlüssig für den, der glaubt. Wer dies nicht tut, wird - welcher Hilfsmittel er sich auch immer bedient - dies weder nachvollziehen, noch verstehen können.

Persönliche Glaubensbekenntnisse großer Naturforscher können und dürfen als Bereicherung im Gespräch von (Natur)Wissenschaft und Glauben empfunden werden. Sie sind jedoch nicht im Einzelfall geeignet, den Glauben zu verstärken oder andererseits zu widerlegen. Das wollten die Forscher sicherlich auch niemals, mit Sicherheit nicht Heisenberg und Planck. Es sind Ent-Äußerungen aus einem bestimmten Lebensgefühl, einer Erfahrung, die schließlich dazu drängt, sich dem Glauben zu öffnen bzw. ihn zu verstehen. Wichtig bei allem - auch das muß bei der Betrachtung aller Ereignisse der Vergangenheit von Wissenschaft und Religion gesehen werden,-  es kommt darauf an, gemeinsam das Gespräch zu suchen, um Antworten zu geben auf Wirklichkeiten, die sich dem Menschen stellen.

6. Die Letztfrage

  Kürzlich wurden John C. Mather und George F. Smoot mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet für ihre präzise Messung der kosmischen Hintergrundstrahlung. Beide haben einen entscheidenden Beitrag, wie die Königliche Schwedische Akademie mitteilte, zur lange umstrittenen Urknall-Theorie geliefert. Danach ist das Universum vor etwa 13,7 Milliarden Jahren entstanden und seither dehnt es sich aus.

 Was besagt diese nüchterne Aussage für das Verhältnis Kosmologie und biblischer Schöpfungsbericht bzw. christliches Glaubensbekenntnis? Zunächst könnte man meinen, sehr viel, zeige es doch, daß alles seinen natürlichen Gang genommen hätte, es keinerlei schöpferischer Gestalt in Form eines Gottes bedarf. Doch dem ist nicht so. Die kosmische Physik gibt eine Zustandsbeschreibung eines vorgefundenen Ergebnisses, sie erfaßt etwas, was zum Zeitpunkt der Messung vorhanden ist und knüpft daran weitere Überlegungen. Irgendeine weitergehende Aussage oder gar ethische Ausführung gibt sie nicht, will sie nicht, kann sie auch nicht geben. Das liegt ihr ferne, übersteigt ihre Möglichkeiten und ist auch nicht in diesem engen Sinne eine physikalische Aufgabe, geschweige denn ihre Fragestellung.

  Ratzinger (2005) hat deutlich angemahnt und gefragt, "ob die Evolutionslehre als Universaltheorie alles Wirklichen auftreten darf, über die hinaus weitere Fragen nach Ursprung und Wesen der Dinge nicht mehr zulässig und auch nicht mehr nötig sind oder ob solche Letztfragen nicht doch den Bereich des rein naturwissenschaftlich Erforschbaren überschreiten." (Ratzinger,2005, S. 145) Er macht deutlich, daß die Letztfrage nicht mehr alleine durch naturwissenschaftliche Sätze entschieden, geschweige denn beantwortet werden kann, wobei auch das philosophische Denken an seine Grenzen stößt. Beide - Naturwissenschaft und Philosophie - finden ihre Begrenzung in der Letztfrage bzw. dem, was dahinter steht. Daß Ratzinger auf die Betonung des Ethos großen Wert legt, ohne den jegliche Erklärung unvollständig bleiben muß, wundert nicht.

Ratzinger hat hiermit das Kernproblem angesprochen, das in anderer Form auch schon bei Planck und anderen vorkommt. Wo liegt die Grenze, die unüberschreitbare der wissenschaftlichen Erkennnis, wo kann sie keine Antwort, geschweige denn Erklärung des Vorgefundenen mehr geben? Es findet sich im Bereich des Überschreitens der meßbaren und bestimmbaren Wirklichkeit, die jedoch nur eine Form des Wirklichen ist, nämlich der sichtbaren und für den Menschen erfaßbaren. Jenseits dessen gibt es eine weitere, die sich der Wissenschaft verschließt und nur im Glauben zugänglich bzw. besser gesagt:  erahnbar ist.

 Es heißt grundsätzlich, Gott behält die Macht in der Geschichte. Er hat sie nicht an das Naturgesetz abgetreten. Er ist nicht ohnmächtig geworden in der Welt der Materie und des materie-bestimmten Lebens. Das Gesetz aller Gesetze, das universale Gesetz des Todes ist nicht die letzte Macht der Welt, ihr letztes Wort. Das Letzte ist und bleibt der, der auch der Erste ist (Gott). Darum ist er, der ewig Lebendige auch der Lebendigmacher. Vor allem der Glaubende, der nach seinem Bilde geschaffen ist, kann nicht tot bleiben. Er wird eine neue Schöpfung durch die Auferstehung in Jesus Christus.

Eine solche Aussage kann nicht naturwissenschaftlich oder philosophisch hinterfragt , schon gar nicht geprüft werden.Das liegt jenseits der Möglichkeiten dieser Disziplinen. Es ist eine Glaubensaussage, eine Bestimmung des Wirklichen, die jenseits aller naturwissenschaftlichen Erkenntnis liegt.

In diesem Zusammenhang fällt auch die Frage nach dem Ende der uns bekannten Welt. Alle Prognosen der Naturwissenschaften zur Zukunft des Universums geben diesem keine. Es wartet sowohl auf das Sonnensytem als auf das Universum im allgemeinen das Ende, der Zerfall. Hoffnung für den Menschen gibt es nicht. Die Naturwissenschaften können diese weder geben noch dafür stehen.

Der Glaube bietet eine völlig andere Sichtweise: Der menschliche Geist kann niemals erfassen, wo Gott ist. Vielmehr nimmt er an, daß Gott über der Welt steht, auch über dem Weltraum, in dem sich die Galaxien ausbreiten, wie die Astronomie lehrt. (In diesem Zusammenhang sei auch auf die interessante Diskussion der vielen Universen hingewiesen, vgl. Rees 2001). Was hinter dem gewaltigen Weltraum liegt, ist die Ewigkeit. Sie ist Gottes Welt. Denn hinter dem Weltraum beginnt die Welt Gottes, die wir Ewigkeit nennen, wo es keinen Raum und keine Zeit mehr gibt.  So bleibt für den Gläubigen nur das Geheimnis Gottes, das eben nur im Glauben erahnt werden kann und vor der der Mensch in aller Ehrfurcht stehen wird. Diese Welt ist dem Menschen im Leben verschlossen.

Wenn also die Wissenschaft lehrt, daß die Welt einmal untergehen wird, so ist dies nicht wesentlich für den Glaubenden. Schon die Heilige Schrift zeichnet das Ende der Welt, teilweise in grausamen Bildern. Demgegenüber sieht der Glaubende es so, daß Gott seine Schöpfung ins Leben gerufen hat, er wird sie auch beenden.Die Sonne wird enden, dann wird indes das Leben, das noch existiert, zu Gott zurückkehren. Gott war - er ist - und er wird sein. In der Osternacht, das weiß der Glaubende, betet der Priester, wenn er die Osterkerze segnet: Christus gestern - Christus heute - Christus in Ewigkeit.  Diese Ewigkeit kann der Mensch aber nicht verstehen, weil, wie bemerkt, die Denkkategorie dazu fehlt. Der Verstand ist begrenzt und kann nur im Raum - und Zeitkategorien denken. Deshalb kann der Mensch das Wort "ewig" überhaupt nicht begreifen, weil damit keine Raum- und Zeitvorstellung verbunden ist. Aus der Heiligen Schrift weiß der Glaubende, daß er vom Leben ins ewige Leben gehen wird.

Diesen Trost kann die Physik oder eine andere naturwissenschaftliche Disziplin keinem Menschen bieten. Daran wird nochmals der Unterschied der Disziplinen deutlich. Beide bewegen sich in einem anderen Bereich, sind gleichwohl dem Menschen verbunden. Für den Menschen bieten hingegen die Physik und die anderen Disziplinen außer einer rationalen Erklärung, die sich an die bewährten Naturgesetze orientiert, nichts. Weitergehendes vermögen sie nicht zu geben. Das macht jedoch die Theologie, die biblische Glaubensgewißheit.

Man erkennt, daß bei allen Gemeinsamkeiten, bezogen auf die Verantwortung für den Menschen, ein Unterschied bleibt, der unaufhebbar ist. Deswegen kann man beide - Physik (oder andere naturwissenschaftliche Disziplinen) und Theologie-  auch nicht gegeneinander ausspielen. Das macht keinen Sinn, oder um ein Wort von Sir Arthur Eddington zu gebrauchen, so etwas tun nur "mittelmässige Philosophen".

Hingegen hat gegenüber dieser Aussage die Wissenschaft nichts, aber auch gar nichts zu bieten, außer den totalen Untergang und die Sinnlosigkeit, die dem Menschen keinerlei Perspektive eröffnet. Man mag einwenden, daß diese eine glaubensgebundene Aussage ist. Nur heißt dies ja nicht, daß sie deshalb weniger richtig ist als jene der naturwissenschaftlichen Erkenntnis. Es sind beide Aussagen richtig in ihrer jeweils besonderen Sprache, oder wie Planck  es ausdrückt, in den eigentümlichen Symbolen, was dann aber auch für die Naturwissenschaft gilt.

  Es ist deshalb auch unzulässig und bringt nichts, die biblische Schöpfungsgeschichte mit den Ergebnissen der heutigen Naturwissenschaften zu vergleichen. Das macht keinen Sinn. Die biblische Schöpfungsgeschichte sowie andere Texte sind in einem bestimmten historischen Kontext geschrieben worden und nur daraus zu verstehen, nicht jedoch von heute aus gesehen. Für die damalige Zeit muß sie als fortschrittlich genannt werden. Sie hebt sich ab von den bayblonischen Schöpfungsmythen und stellt das Schaffen ("schaffen" wird nur im Zusammenhang mit Gott gebraucht) Gottes in den Mittelpunkt. Gott war Schöpfer allen und alles, nicht der Mensch und nicht eine seelenlose Materie. Auch die Sterne waren Geschöpfe Gottes und keinerlei Götter. Der alttestamentliche Schöpfungsglaube wurde vom christlichen Glauben übernommen, wobei z.B. Johannes davon spricht, daß am Anfang der Logos war, d.h. er war das Uranfängliche. Das allgemeine Schöpfungsprinzip, das an sich vernünftige, für den Menschen nicht faßbare, stand von Anbeginn da und fest. Dem Menschen ist es völlig entzogen; er kann nur beschreibend erahnen, jedoch niemals fassen oder gar gestalten. Die moderne Naturwissenschaft spricht zwar auch von einem Anfang, gebraucht dies jedoch völlig anders als dies der Glaubende meint. Dieser ist eingebunden in die Glaubensaussage von der Existenz eines Schöpfergottes, die nicht weiter hinterfragbar ist (es ist das Letzte, das Absolute, nicht mehr erfaßbare). Man kann Gott nicht festmachen, man kann ihn nur akzeptieren, oder leugnen und sich damit auf eine Erklärung des Wirklichen einlassen, die dann jedoch das Ethische vernachlässigt. Weiteres Hinterfragen der Glaubenssausage ist nicht notwendig, da mit dem Bekenntnis " Gott der Schöpfer" alles erschöpfend beschrieben und gesagt worden ist. Eine letzte Beweisbarkeit der christlichen Position gibt es nicht, wie schon Ratzinger betonte (Ratzinger, 2005, S. 146). Dies ist jedoch auch nicht nötig, weil - wie erwähnt- naturwissenschaftliches und philosophisches Denken hier an eine  unüberwindbare Grenze stößt, jedoch der Glaube eine andere Dimension in Anspruch nimmt und hat. Jedenfalls verzichtet er nicht auf die Uranfänglichkeit des Logos, was eigentlich auch alle anderen Disziplinen und Fragestellungen nicht tun dürften, jedoch immer wieder machen

Man kann auch ein anderes Wort von Ratzinger bringen: " Das Bemühen, aus dem an sich Vernunftlosen das Vernünftige zu destillieren, scheitert hier recht augenfällig" (Ratzinger 2005, S. 147).

Dies alles ist wenig geeignet, um zu  einer umfassenden Ethik, die alle brauchen, zu kommen. Erst der Glaube gibt  hier jenen entscheidenden Hinweis und vermittelt einen Ausweg aus der Krise. Planck hat dies etwa so ausgedrückt, wenn er auf die eigentümlichen Symbole der Religion hinweist, die eben in einer unverzichtbaren Weise einen Beitrag zum Gesamten geben.Das Ethische kann jedoch nur von der Religion geleistet werden, niemals von der Physik oder den Naturwissenschaften an sich.

7. Äußerungen bedeutender Physiker

  Nachfolgend sollen einige Äußerungen bekannter  Physiker angegeben werden. Wie schon bemerkt, darf man diese Sätze nicht im Einzelfall als einen Beweis für die Gläubigkeit des Einzelnen ansehen. Es sind Aussagen, die in einem bestimmten historischen Kontext gemacht wurden, gleichwohl zeigen können, wie sorgsam man die Diskussion um Gott und Schöpfung begehen muss. Auffallend an allen Aussagen ist die betonte Abgewogenheit, die jegliche Überspitzung vermeidet, aber auch jene primitiven und teilweise anti-religiösen Abfälligkeiten meidet. Diese Aussagen können beitragen zum weiteren Nachdenken, indem sie zeigen, daß bedeutende Forscher ein durchaus  einverständliches Gottesbild hatten, das gleichwohl nicht unbedingt in jedem Einzelfall mit dem christlich geprägten zu identifizieren ist.

Aus dem Gesagten spricht aber eben jene Ehrfurcht, jener Respekt , was für ein Gespräch Wissenschaft und Glaube unabdingbar ist .Es     zeigt sich aber auch, daß zwischen den exakten Naturwissenschaften und dem christlichen Glauben viel eher ein unverkrampftes Gespräch möglich ist,als man dies von den gewissen geisteswissenschaftlichen Disziplinen her kennt.

  Arthur H. Compton (1892-1962)

Amerikanischer Physiker, Nobelpreisträger

  "Weit entfernt davon, im Konflikt mit der Religion zu sein, ist die Wissenschaft zum Verbündeten der Religion geworden. Durch bessere Einsicht in die Natur lernen wir auch den Gott der Natur besser kennen und die Rolle, die wir in dem Drama der kosmischen Welt spielen."

 Sir Arthur Stanley Eddington (1882-1946)

Englischer Physiker und Astronom

  "Die moderne Physik führt uns notwendig zu Gott hin, nicht von ihm fort, - Keiner der Erfinder des Atheismus war Naturwissenschaftler. Alle waren sie sehr mittelmäßige Philosophen."

Werner Heisenberg (1901-1976)

Deutscher Physiker, Nobelpreisträger

"Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch; aber auf dem Grund des Bechers wartet Gott."

Pascual Jordan (1902-1980)

Deutscher Physiker

Die moderne Entwicklung hat die früheren Hindernisse einer Harmonie von Naturwissenschaft und religiöser Weltauffassung bestätigt. Die heutige naturwissenschaftliche Erkenntnis liefert keinen Einwand mehr gegen einen Schöpfergott."

Guglielmo Marconi (1874-1937)

Italienischer Physiker, Nobelpreisträger

"Ich erkläre mit Stolz, daß ich gläubig bin. Ich glaube an die Macht des Gebetes. Ich glaube nicht nur daran als gläubiger Katholik, sondern auch als Wissenschaftler"

Gustav Mie (1868-1957)

Deutscher Physiker

"Wir müssen sagen, daß ein denkender Naturforscher notwendig... ein frommer Mensch sein muß. Denn er muß sich in Ehrfurcht vor dem göttlichen Geist beugen, der in der Natur so deutlich zu spüren ist..., der aber andererseits doch in der unermeßlichen Mannigfaltigkeit des Geschehens immer für uns unfaßbar bleibt."

Robert Andrews Milikan (1868-1953)

Amerikanischer Physiker, Nobelpreisträger

" Leute, die wenig von Wissenschaft wissen, und Leute, die wenig von Religion verstehen, mögen sich einmal streiten, und die Zuschauer mögen denken, da streiten sich nun die Wissenschaft und der Glaube, während es sich in der Tat um einen Zusammenstoß zwischen zwei Arten von Unwissenheit handelt."

Walter Nernst (1864-1941)

Deutscher Physiker und Chemiker, Nobelpreisträger

"Physik treiben heißt hinter dem Schöpfungsakt Gottes hinterhersehen."

Max Planck (1858-1947)

Deutscher Physiker, Nobelpreisträger

"Wohin und wieweit wir also blicken mögen, zwischen Religion und Naturwissenschaft finden wir nirgends einen Widerspruch, wohl aber gerade in den entscheidenden Punkten volle Übereinstimmung.  Religion und Naturwissenschaft schließen sich nicht aus, wie heutzutage manche glauben und fürchten, sondern sie ergänzen und bedingen einander. - Gott steht für den Gläubigen am Anfang, für den Physiker am Ende aller Dinge."

Erwin Schrödinger (1887-1961)

Österreichischer Physiker, Nobelpreisträger

"Sie (die Aufbauelemente des Lebendigen) sind kein plumpes Menschenwerk, sondern das feinste Meisterstück, das jemals nach den Leitprinzipien von Gottes Quantenmechanik vollendet wurde"

Heinrich Vogt (1890-1966)

Deutscher Astronom

Die Existenz der Welt läßt sich aus ihrer Beschaffenheit heraus nicht begründen. Sie kann auch nicht aus sich selbst sein, sie fordert einen Ursprung, der keines Ursprungs bedarf. Sie weist über sich selbst hinaus in das Transzendente, auf einen überweltlichen Untergrund, auf eine höhere, übernatürliche Macht hin, deren Wesen wir mit den Methoden der Naturwissenschaft wohl niemals werden erfassen können... Naturwissenschaft und wahre Religion stehen auf keinen Fall zueinander im Gegensatz, sondern sie ergänzen sich vielmehr gegenseitig."

Max von Laue (1879-1960)

Deutscher Physiker, Nobelpreisträger

"Die Naturforscher wollten Gott von Angesicht zu Angesicht sehen. Da dies nicht möglich war, beteuerte ihre exakte Wissenschaft, daß es ihn nicht gebe. Um wie vieles sind wir Naturforscher bescheidener geworden! Wir beugen uns in Demut vor dem Übergroßen, vor dem Übermächtigen, dem ewig Unsichtbaren, dem niemals Erfaßlichen."

Carl Friedrich von Weizsäcker (1912)

Physiker

Die Theologen... bewahren die einzige Wahrheit, die tiefer reicht als die Wahrheit der Wissenschaft, auf der das Atomzeitalter beruht. Sie bewahren ein Wissen vom Wesen des Menschen, das tiefer wurzelt als die Rationalität der Neuzeit. Der Augenblick kommt unweigerlich immer wieder, in dem man, wenn das Planen scheitert, nach dieser Wahrheit fragt und fragen wird.

8. Schlußbemerkungen

Die Erörterungen zeigten, daß zwischen der naturwissenschaftlichen Weltbetrachtung und der christlichen (theologischen) keine Gegensätze bestehen. Die schon bei Planck hervorgehobene notwendige Ergänzung beider Betrachtungsweisen der Welt wird auch heute um so deutlicher. Selbst wenn man die der Religion wohlgesonnenen  Aussagen einzelner Naturwissenschaftler nicht überbewerten soll, so zeigt sich doch, daß praktisch kein ernsthafter Vertreter sich am primtiven Kampf gegen die christliche Lehre beteiligt hat oder beteiligt.  Das Aufeinanderzugehen ist deshalb auch in der heutigen Zeit des allgemeinen Wertezerfalls das wichtigste Anliegen. Beide - Naturwissenschaften und christlicher Glaube - haben eine ganz entscheidende Aufgabe in der Wahrung dieser Welt und ihrer Werte. Kürzlich hat Papst Benedikt XVI den Zusammenhang von Wissenschaft und Vernunft nochmals sehr schön umrissen:

 Er machte deutlich, daß am Anfang eines jeden Christseins nicht irgendein Entschluß steht, sondern die Begegnung mit dem lebendigen Jesus Christus und führte dann aus:

" Die Fruchtbarkeit dieser Begegnung kommt in besonderer und kreativer Weise auch im gegenwärtigen menschlichen und kulturellen Kontext zum Ausdruck, vor allem in Verbindung mit der Vernunft, die die modernen Wissenschaften und die entsprechenden Technologien ins Leben gerufen hat. Ein grundlegender Wesenszug dieser letzteren ist nämlich der systematische Einsatz des Mittels der Mathematik, um mit der Natur arbeiten zu können und uns ihre immensen Kräfte dienlich zu machen".

 Nach Würdigung der Rolle der Mathematik sagt Benedikt XVI weiter :

" Sie setzt nämlich voraus, daß das Universum selbst intelligent strukturiert ist, so daß es eine tiefe Entsprechung gibt zwischen unserer subjektiven Vernunft und der objektiven Vernunft in der Natur. Es ist daher unvermeidlich zu fragen, ob es nicht eine einzige urspüngliche Intelligenz geben muß, die die gemeinsame Quelle der einen und der anderen Vernunft ist. So führt uns diese Reflexion über die Entwicklung der Wissenschaften zum 'Schöpferlogos' zurück."

(Osserv. Romano 22. Oktober 2006, Nr. 43, Seite 8)

Diesen Ausführungen von Papst Benedikt XVI braucht nichts hinzugefügt zu werden, da auch unsere Betrachtungen ein ähnliches Ergebnis brachten. Die Harmonie der wissenschaftlichen Weltbetrachtung mit dem christlichen Bekenntnis eines Schöpfergottes ist nicht nur gegeben, sondern sie ruft nach Entsprechung.(5)

Anmerkungen

1) Diese Formulierung Einsteins führt nicht weiter. Eine Religion ohne Gottesbegriff gibt es nicht. Sie verehrt immer einen personalen Gott. Die Esoterik hingegen macht das nicht, hat also auch nichts mit Religion zu tun. Sie sieht Gott z.B. in Sonne, Mond und Sternen, doch nicht in einer Person. Grundsätzlich muß man sehen, daß man nur zu einer Person bitten und beten kann. Möglicherweise kann man ohne Religion eine Ethik entwickeln, die im Gewissen des Menschen grundgelegt ist. So kann er aus sich heraus erkennen, was gut und böse ist, doch hat das mit Religion nichts zu tun. Insofern sind auch alle theoretischen  Kunstgriffe, ein ethisches System, ein Muster für die Menschen zu entwickeln, zwar denkbar, jedoch ohne jeglichen religiösen Bezug.

2 Bei der Stellungnahme der Katholischen Kirche kommt den Äußerungen von Joseph Kardinal Ratzinger (jetzt Papst Benedikt XVI) eine besondere Bedeutung zu.

Siehe auch: Joseph Kardinal Ratzinger, Aus meinem Leben., Erinnerungen Stuttgart, DVA, 1998, 190 S.

3 Hinzuweisen wäre auch auf Joseph Kardinal Ratzinger in: Papst Johannes Paul II, Enzyklika Fides et ratio (Glaube und Vernunft), S. 107-112.  Chrtistiana Verlag, Stein am Rhein 1998.

4) Es ist  bemerkenswert und zugleich

interessant, daß vom Päpstlichen Rat für die Kultur ein Kongreß angeregt wurde, auf dem die Verbindung zwischen der Theologie und den Naturwissenschaften untersucht und diskutiert wurde. U.a. wies D. Lambert daraufhin, daß man die verschiedenen Ebenen halten müsse und Naturwissenschaft und Theologie jeweils für sich stehen. (siehe Bericht in L'Osservatore Romano 47/2005, Seite 6).

5) W. Brandmüller (1982) spricht von "der kopernikanischen Wende im Verhältnis von Naturwissenschaften und Kirche" (S. 154), was sicherlich richtig ist.Dieser Prozeß ist unumkehrbar.

Literatur:

W. Brandmüller, Galilei und die Kirche oder das Recht auf Irrtum. Regensburg, Prustet, 1982

W. Brandmüller/I. Langner, Der Fall Galilei und andere Irrtümer. Macht, Glaube und Wissenschaft, Augsburg 2006

W. Dennert, Die Natur das Wunder Gottes im Lichte der modernen Forschung. Bonn 1950, 5. erw. Aufl

W. Heisenberg, Physik und Philosophie. Frankfurt/M.,, Berlin, Wien, 1959

W. Heisenberg, Der Teil und das Ganze. Gespräche im Umfeld der Atomphysik. München, 1973

W. Heisenberg, Naturwissenschaftliche und religiöse Wahrheit. Phys. Blätter 29, 1973, 339-349

W. Heisenberg, Schritte über Grenzen.Gesammelte Reden und Aufsätze. München 1973, 2. Aufl.

M. Jammer, Einstein and Religion. Princeton University Press 1999, 279 S.

H. Muschalek, Gottesbekenntnisse moderner Naturforscher. Berlin 1952, 3. völl. überarb. u. erw. Aufl., 296 S.

Joseph Kardinal Ratzinger, Im Anfang schuf Gott. Vier Predigten über Schöpfung und Fall. Konsequenzen des Schöpfungsglaubens.Freiburg, Johannes Verlag, 1996,94 S,

Joseph Kardinal Ratzinger, Grundsatzreden aus fünf Jahrzehnten. Regensburg 2005, S. 168

Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. Grundsatz-Reden aus fünf Jahrzehnten. Pustet, Regensburg, 2005, 214 S

Joseph Ratzinger/Benedikt XVI, Der Gott des Glaubens und der Gott der Philosophen. Ein Beitrag zum Problem der theologia naturalis, hrsg. von H. Sonnemans, Leutesdorf, 2005, 2. erg. Aufl.

M. Rees,The Cosmic Habitat. Princeton University Press, 2001

M. Schmaus, Katholische Dogmatik. Zweiter Band: Gott der Schöpfer und Erlöser, 3. und 4. umgearb. Aufl., München,Hueber Verlag

W. Schröder, Das Phänomen des Polarlichts. Darmstadt,m Wiss. Buchges. 1984.

W. Schröder, Naturwissenschaft und Religion (Versuch einer Verhältnisbestimmung bei Max Planck und Werner Heisenberg, Bremen, Science Edition, 1999.  

 

Zurueck