Naturwissenschaft und Religion
Von Wilfried Schroeder und Hans-Juergen
Treder
Seit
Jahrhunderten schon ist das Gespraech zwischen Naturwissenschaft und Religion im
Gange, wenngleich immer wieder von Widerspruechen und Missverstaendnissen gepraegt.
Die Stellung der Kirche in der aufbrechenden Neuzeit gegenueber den einsetzenden
naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die Prozesse um Giordano Bruno und Galilei sind vielfach unvergessen und
haben das Verhaeltnis der Disziplinen belastet. In der Neuzeit haben sich
zahlreiche Naturwissenschaftler immer wieder zu Fragen der Religion sowie des
Glaubens geaeussert. Dazu gehoeren auch die Physiker Albert Einstein und Max
Planck. Im Verstaendnis des heutigen Weitbildes sowie der Entwicklung der Physik
spielen beide Wissenschaftler eine entscheidende Rolle. Ihre Arbeiten bildeten
die Basis fuer ein Neuverstaendnis der Physik und leiteten eine neue
Herangehensweise in der physikalischen Forschung ein.
Max
Planck wurde am 23. April 1858 in Kiel geboren und verstarb am 4. Oktober 1947
in Goettingen, wohin er in den Wirren des Zweiten Weltkrieges gelangt war. Seine
entscheidende physikalische Entdeckung des elementaren Wirkungsquantums (1900)
bildete sozusagen den Schluessel zur Mikrophysik und zum Aufbau der Materie. In
seinen spaeteren Lebensjahren, nach Erhalt des Nobelpreises, hatte er leitende
Funktionen, z.B. bei der Berliner Akademie der Wissenschaften, inne. Aufgrund
seines oeffentlichen Amtes sowie seiner Vorlesungstaetigkeit an der Universitaet
in Berlin wurde er immer wieder um AEusserungen zu philosophischen und
verwandten Fragen gebeten. In diesem Kontext entstanden auch seine wichtigen
Beitraege „Wissenschaft und Glaube“, den er als Weihnachtsartikel 1930 veroeffentlichte.
Sein darueber hinausgehender Vortrag „Religion und Naturwissenschaften“
wurde von ihm anlaesslich einer Reise ins Baltikum gehalten. Darin skizzierte er
schaerfer die Probleme bzw. die Distanz zwischen beiden Disziplinen und
„Vorgehensweisen“, um die Wahrheit zu entziffern.
Entkoppelt: Erkenntnis und Ethik
Albert
Einstein wurde am 14. Maerz 1879 ins Ulm geboren und verstarb am 18. April 1955.
Um jeglichen Kult um seine Person zu verhindern, wurde seine Asche verstreut, so
dass es in diesem Sinne kein aufsuchbares Grab gibt. Seine entscheidenden Beitraege
zur speziellen und allgemeinen Relativitaetstheorie erschienen zwischen 1905 und
1917. In jenen Jahren war Max Planck Herausgeber der international fuehrenden
Zeitschrift Annalen der Physik", in der er wiederholt Arbeiten von Einstein
aufgenommen hatte, obwohl sich beide nicht kannten. Einstein war zu Beginn
seiner Laufbahn noch ein nichtpromovierter Techniker am Berner Patentamt. Das
alles stoerte und hinderte indes Max Planck nicht, Einsteins Arbeiten
anzunehmen, obgleich er einigen davon durchaus skeptisch gegenueberstand. Rasch
hatte indes Planck die Bedeutung der Einsteinschen Rechnungen zur Relativitaetstheorie
erkannt und sie veroeffentlicht. In spaeteren Jahren kam Einstein nach Berlin,
wurde Akademiemitglied und war immer wieder mit Planck zusammen. Es ist fast
eine Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet, als Planck Sekretaer der Akademie
war, Einstein eben diese Institution verliess. In seiner neuen amerikanischen
Heimat setzte er seine Studien fort, nahm nie wieder eine Auszeichnung aus
Deutschland an, wenn man von der Ehrenbuergerschaft des Fleckchens Caputh
absieht.
Aufgrund
seiner Weltberuehmtheit wurde Einstein - ebenso wie Max Planck - bei
verschiedenen Anlaessen immer wieder um Auskuenfte zu Gott, Philosophie und die
Religionen im allgemeinen gebeten. Das ist der Hintergrund verschiedener AEusserungen,
die ihn in die Verhaeltnisbetrachtung Religion - Naturwissenschaften brachten.
Beide
- Einstein und Planck - sind als Naturwissenschaftler, eigentlich theoretische
Physiker, mit den Problemen der Religion im breiteren Umfeld stets nur zufaellig
zusammengetroffen. Beide unterschieden als Kantianer theoretische und praktische
Vernunft voneinander, d.h. zwischen Erkenntnis und Ethik. Die Religion wurde
gesehen als von der Erkenntnis abgekoppelt. Beide meinten, dass die Wahrheit und
Erkenntnis stets unabhaengig ist von Gesinnung und Glauben des Erkennenden. Die
Erkenntnis wird als ethisch neutral hingestellt; es geht nicht nur um die Frage
gut oder schlecht, sondern vielmehr um wahr und falsch. Aus dieser Sicht haben
also Religion und Naturwissenschaft nichts miteinander zu tun.
Andererseits
ist wegen der Erkenntnis und Wertneutralitaet z.B. die Physik ungeeignet,
irgendwelche Zielvorstellungen fuer den Menschen zu geben. Postulate fuer das
menschliche Tun folgen demnach nicht aus der Erkenntnis; sie sind stets
Imperative im Sinne Kants und finden in den Lehren, z.B. der grossen
Religionsstifter, ihren Widerhall. Grundlage letztlich ist der kategorische
Imperativ im Menschen im Sinne des Gewissens, wie es beispielsweise die grossen
Religionen bzw. viele Weltanschauungen kennen. Das hat aber im Verstaendnis von
Einstein und Planck nichts mehr mit der exakten Vorgehensweise der
naturwissenschaftliche Forschung zu tun. Hingegen verstehen sie die Religion als
Orientierungshilfen fuer den Menschen, die in den Vorbildern und Lehrern eben
dieser Gemeinschaften eine Richtschnur finden koennen. Die Lehren, die
Religionen zugrunde liegen, sie sind es, die dem Menschen Richtung und Weg sein
koennen.
Loskommen vom Subjektiven
Fuer
Einstein gilt, dass das ethische Tun des Menschen unabhaengig ist von den
vorgegebenen religioesen Dogmen bzw. anderer Glaubensaussagen der Religionen. Er
entkoppelt Ethik und Dogma und betont auch, dass z.B. Religion an sich unabhaengig
vom Gottesbegriff aufzufassen ist. In diesem Zusammenhang verwies er gerne auf
Buddha und Spinoza. Planck hingegen meint, dass Religionen durchaus Richtlinien sein koennen fuer
ethisches Tun, etwas, das er in dem Ausruf enden liess: „Hin zu Gott.“ Indes
darf dies nicht interpretiert werden als ein persoenliches Glaubensbekenntnis
zum christlich verstandenen Gott: so etwas hat Planck niemals explizit ausgedrueckt.
Es ist vielmehr zu werten als Chiffre „hin zu einen persoenlichen Gott.“
Die
Frage nach Gott an sich, die Frage, welcher Gott denn sei, wurde von Einstein
und Planck als sinnlos zurueckgewiesen, denn dies waere fuer sie eine Frage an
die menschliche Erkenntnis. In
diesem Sinn aber weisen sie darauf hin, dass Gott nicht erkennbar ist. Jesus
wird verstanden im Sinne eines ethische Vorbildes. Dessen ethische Bedeutung ist
so gross, dass gemaess Planck die Chiffre Gottes Sohn durchaus gebraucht werden
koennte. Fuer Einstein hingegen kaeme etw. eine Gleichsetzung Jesus mit Gandhi
in Betracht.
Wenn
vom religioesen Glauben dieser Naturforscher gesprochen wird, liegen folgende
Aspekte nahe: Letztlich ist es ein Glaube an einen staendigen Fortschritt der
Erkenntnis, um mehr und mehr vom Subjektiven von loszukommen, um zu einer
vollkommenen (mathematischen) Erkenntnis zu gelangen. Vielleicht kam man in dem
Erkennen der weiteren Strukturen ein Erkennen der Gedanken Gottes sehen. Nur muss
man sich davor hueten, Aussagen von Einstein und Planck dahingehend zu benutzen,
um etwa das Christentum zu „beweisen“ bzw. aufzuzeigen. Beide Physiker
wollten keine Superstitionen vornehmen.
Literatur: Wilfried Schroeder: Religion und Naturwissenschaft (Verhaeltnisbestimmung am Beispiel von Max Planck und Werner Heisenberg). Bremen: Science Edition 1998