Sydney Chapman in seinen Beziehungen zu einigen deutschen Geophysikern

by  Wilfried Schröder

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1. Vorbemerkung

Der englische Geophysiker Sydney Chapman (1888-1970) ist eine herausragende Persönlichkeit. Sein weltweites Wirken in Wissenschaft und Organisation hat ihm großes Ansehen gebracht. Seine Teilnahme an vielen internationalen Konferenzen sowie Mitwirkung am "Internationalen Geophysikalischen Jahr" sowie in der "Internationalen Union für Geophysik und Geodäsie" taten ein übriges. Dabei war er auch besonders an dem Einsatz von Raketen und Satelliten zur Erforschung des erdnahen Raumes interessiert, also eines Themas dieser Tagung. Chapman versprach  sich von direkten Messungen einen wesentlichen Erkenntnis-Fortschritt und hat dies auch in seinen Veröffentlichungen stets betont.

Es wundert nicht, daß er zeitlebens zu verschiedenen deutschen Geophysikern und Physikern recht gute, ja, teilweise freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Das lag einmal daran, daß er bei Gelehrten studiert und gearbeitet hat, die ihrerseits gute Kontakte nach Deutschland hatten (Lamb, Schuster, Chree u.a.)Der Erfahrungsaustausch war also sehr rege und Chapman war früh eingebunden in diesen Fluß. Wichtig wurden aber auch die internationalen Forschungsvorhaben, wie sie in der Internationalen Polar Kommission sowie der IUGG realisiert wurden. In allem war Chapman eingebunden.

Nachfolgend sollen einige seiner Kontakte näher beschrieben werden, um einen Beitrag zur Geschichte der Geophysik zu liefern. Dabei kann die Darstellung nicht vollständig sein, weil manches nicht verfügbar ist und manche Quelle nicht bekannt ist.

Tatsache ist, daß Chapman wohl die besten Kontakte hatte zu Julius Bartels,  Adolf Schmidt, Gerhard Fanselau, Hans Ertel, Ludwig Biermann sowie Ludwig Waldmann letzterer zwar kein Geophysiker, gleichwohl Chapman verbunden.

Diesen Wissenschaftlern ist er auch persönlich begegnet.

2) Julius Bartels

Julius Bartels hatte bereits in seiner Berliner Zeit Kontakte zu Chapman. Seine eigenen Interessen zur geophysikalischen Statistik sowie verschiedene geophysikalische Spezialthemen teilte Chapman. Bartels kam in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts nach USA und arbeitet dort einige Zeit. In diese Zeit fällt auch seine Begegnung mit Chapman. Allerdings waren sich beide, wie Chapman schrieb, bereits 1925 in England begegnet. Einen Einblick gibt eine Schilderung von L. V. Berkner: " I frist remember him (Chapman, Verf)in the early 1930s. He was visiting the Carnegie Institution of Washington, Department of Terrestrial Magnetism, where I was working on ionospheric research as a young physcist. Here  he was joined by his late German colleague, Dr. Julius Bartels!; they were writing the monumental two-volume work, Geomagnetism." (Berkner, S. 68).

 Damit ist bereits ein wesentlicher Punkt in den Beziehungen angesprochen. Chapman hatte 1929 den Adams Preis der Universität Cambridge erhalten. Er hoffte nun, die in seiner Arbeit begonnenen Ansätze weiter auszubauen in Form eines umfassenden Buches. Etwa 1932, als schon einiges getan war, kontaktierte er ebenfalls Bartels. Vorläufiges Ergebnis war jedoch nur  ein kleines Büchlein von Chapman mit dem Titel "The earth's magnetism", das 1936 erschien. Die gemeinsame Arbeit an einem Standardwerk, Geomagnetism,  hat  er so beschrieben: " So I hoped and tried to write a book on geomagnetism. This proceeded very slowly, and after a few years I ask a young German whom I had get to know in England in 1925, Bartels, if he would collaborate. He did, and sometimes I would work on it and sometimes he would work on it, but for months, and even years on end, neither of us would work on it. Then we would feel we had done so much that really we ought to get on with the book, and one of us would stimulate the  other; finally we did pull it off. It took about eleven years, the book." (Chapman, Seite 194). Die Herausgabe des zweibändigen Werkes, das auch heute noch seinen historischen Wert besitzt, wurde allgemein begrüßt und positiv in der Fachwelt aufgenommen.Das Buch, übrigens Adolf Schmidt gewidmet, schickte man auch an diesen, der damals blind in Halle lebte, gleichwohl dieses Geschenk gerne annahm.

In den Kriegsjahren brachen die Kontakte zwischen Bartels und Chapman nicht ab. Ganz bemerkenswert ist übrigens, wie sich Bartels für den norwegischen Polarlichforscher Leiv Harang eingesetzt hatte. Bartels hatte ausdrücklich Harang am Potsdamer Institut willkommen geheißen. Auf eine Nachfrage von Chapman an Harang schrieb dieser: "In this difficult position I was most kindly and helpfully approached by Prof. Bartels ,who most activily tried to his best for me; and I will always have in thankful memory the kindness which Prof. Bartels and his wife did for me in this period, which certainly was just as difficult for them as for me." (NL Chapman, Fold. Bartels) .Nach dem Kriege waren die Formen der Zusammenarbeit in den westlichen Staaten leichter erreichbar. 1948 besuchte Chapman erstmals Bartels, der inzwischen nach Göttingen gegangen war. Die Wiederaufnahme der internationalen Kontakte war für Bartels nicht schwierig, denn er hatte ja durch mannigfaltige Mitarbeit (z.B. Association of Terrestrial Magnetism and Electricity, IAMTE) gute Arbeit geleistet. Seine Teilnahme an Tagungen war gegeben, auch unterstützt durch Chapman, und bereits 1954 wurde er Präsident von IATME, die nun IAGA benannt wurde.1960-1963 war Bartels Vize-Präsident der IUGG, und sicherlich, wie Chapman auch feststellt, wäre er der nächste IUGG Präsident geworden, wäre er nicht so früh verstorben (1964). Bereits 1953 erhielt Bartels die Chree Medaille der Royal Society. 1957/58 war er Präsident der Göttinger Akademie der Wissenschaften, und kurz vor seinem Tode verlieh im dei American Geophysical Union ihre höchste Auszeichnung, die Bowie Medal.

Weitere Aspekte in den Beziehungen beider Gelehrter ergaben sich besonders in den internationalen Konferenzen der IUGG sowie ihrer Unterorganisationen. Nach dem Krieg setzten sie ihre Beziehungen fort. Bartels, inzwischen nach Göttingen gewechselt sowie Direktor des Max-Planck-Instituts in Lindau geworden, hatte stets persönliche und intensive briefliche Kontakte mit Chapman, Es kam immer wieder zu offiziellen und privaten Treffen. 1967/57 weilte Chapman überdies als "Gauß-Professor" in Göttingen und wohnte bei Familie Bartels im Geophysikalischen Institut. Diesbezüglich hatte Bartels 1955 eine Anfrage an Chapman gerichtet, ob dieser bereit wäre, die Einladung als „Gauß-Professor“ anzunehmen. Chapman hat sich später voller Dank an diese Zeit erinnert, wenn er schreibt: „ I recall with great pleasure the additional honor accorded to me by the Akademie in being a Gauss Professor of the Akademie in 1956/57, by which I came into close touch with the members and was able in company of my dear and much-mourned friend Julius Bartels to attend several of your meetings with great interest.” (Pers. 52.3, Archiv Gött. Akademie) Der tägliche Umgang, die Anteilnahme beider am Leben der jeweiligen anderen Familie, ließen eine tiefe Freundschaft und Wertschätzung wachsen Während seines Göttingen-Aufenthaltes gingen Chapman und Bartels täglich spazieren, Chapman nahm aktiv am Familienleben der Bartels teil, so daß eine sehr enge Bindung beider entstand.Später weilte Bartels mehrfach und auch länger als Gast von Chapman in den USA. Ihre letzte Begegnung fällt in die IUGG Tagung von 1963.In jene Zeit fällt auch das Internationale Geophysikalische Jahr (1956/57), bei dem Chapman eine führende Rolle spielte. Bartels war Vorsitzender des westdeutschen Komitees für das IGJ und darüber hinaus in der Internationalen Assoziation für Aeronomie und Geomagnetismus engagiert. In Göttingen erarbeiteten Chapman und Bartels ein gemeinsames Beobachtungs-Instrument für Polarlichter, worüber insbesondere Chapman sehr erfreut war. Es half, die Höhenmessungen beobachteter Polarlichter leicht zu gestalten.

Ein anderer, interessanter Aspekt soll erwähnt werden. Chapman war zeitlebens sehr aufgeschlossen selbst gegenüber unbekannten Wissenschaftlern und Beobachtern. Er kannte keinen Dünkel und war sehr aufgeschlossen und hilfsbereit, wenn man ihn bat. Zeitlebens hat er großen Wert auf wissenschaftliche Objektivität und Respekt gegenüber den Lesitungen Andrerer gezeigt. Dies mag an einem Beispiel verdeutlicht werden, was zugleich aber auch einen Einblick in die Beziehungen Bartels/Chapman und ihre wechselseitige Beeinflußung gibt.

Chapman berichtet darüber, daß er mit einigen amerikanischen Kollegen eine Kontroverse hatte, wobei es um die Theorie der magnetischen Stürme ging, ein Thema, das auch Bartels durchaus interessierte. Chapman führt aus: " Bartels said: ' the poeple who criticize you- at least they read your papers, they are interested in the same field as you are; that should be a bond between you and them which can help you to overcome the feelings which are aroused when they criticize and don't believe what you say." (Chapman, Seite 166). Chapman akzeptierte dies und bemerkte, wie wichtig die kritische Auseinandersetzung in der Wissenschaft ist. Dazu paßt auch sein Umgang mit anderen Autoren. Heute ist es ja so beliebt, vielfach andere Autoren wegzulassen oder nur jene Arbeiten zu zitieren, die nicht älter als ein paar Jahre sind, ganz zu schweigen von der ausländischen Literatur, wo ja das Sprachproblem noch zusätzliche Hürden aufsetzt.

In einem Zusammenhang hat Chapman nachdrücklich seine Schüler darauf hingewiesen, daß sie stets alle Autoren in einem Beitrag erwähnen und  sich nicht auf das beliebte " et. al." begrenzen. D. F. Fisher hat dies sehr nett berichtet, wenn er schreibt: While typing references to be included with a paper, I asked Professor Chapman about reference papers with more than one author-say, Mr.A. et. al. 'Well, said Dr Chapman', I suppose it's fine if you are Mr. A, but rather sad if you are et. al. Please list all the authors for the paper." (Chapman, Seite 98)

Abschließend mag erwähnt werden, daß sich Chapman um eine Herausgabe der Bartelsschen Veröffentlichungen bemühte. Sein Vorschlag wurde zwar z.B. von der Max Planck Geselklschaft u.,a. begrüßt, aber nicht realisiert.

Adolf Schmidt

Schmidt hatte maßgeblichen Einfluß als Direktor der Potsdamer Institutionen und auf die internationale geophysikalische Forschung. Er wurde 1909 zum Professor für Geophysik an die Berliner Universität berufen und zugleich Vorsteher des Meteorloogisch-Magnetischen Observatoriums in Potsdam. Schmidt war, ähnlich wie Emil Wiechert aus Göttingen, mit allen internationalen Geomagnetikern wohlbekannt. Er hatte durchaus Beziehungen zu englischen Gelehrten und der Austausch zwischen England und Deutschland verlief auch nach dem 1. Weltkrieg angemessen. Aus jener Zeit stammen manche Arbeiten von Sydney Chapman, die Schmidt interessiert haben dürften. Begegnet sind sich Schmidt und Chapman auf der Polar Year Commission Konferenz im Mai 1933 in Kopenhagen. Wohl auch diese persönliche Begegnung dürfte die eggenseitige Wertschätzung beeinflusst haben. Jedenfalls hat Adolf Schmidt der Deutschen Akademie der Naturforscher, Leopoldina, in Halle Chapman als Mitglied vorgeschlagen. In der Begründung schrieb Schmidt:

„ Prof. S. Chapman nimmt auf dem Gebiete der theoretischen erdmagentischen Forschung eine hervorragende Stellung ein. Vor allem hat er die Theorie der solaren wie der lunaren täglichen Schwankung und weiter die Theorie der Störungen grundlegend gefördert.“ (Archiv Leooldina, Mart.-Nr. 4366).

 Chapman wurde am 17. 8. 1936 zum Mitglied gewählt und fühlte sich seit jeher der Akademie verbunden In seiner Dankesantwort schrieb Chapman an den Präsidenten Professor Abderhalden:

„ Dear Mr. President, I write in rep,y to your letter of August 17, 1936 (Ref. No. 1609/36), in which you communicate to me the very gratifying news that your distinguished and famous Academy have honoured me by naming as a Member, in recognition of my work on the earth’s magnetism. I wish to express my very grateful thanks for this mark of consideration, which I deeply appreciate, and to say what pleasure I have in accepting this token of your kindness and goodwill towards to me….”(Archiv Leopoldnia, MartikelNr: 4366).

Es ist ganz interessant, welche Interessengebiete Chapman im Fragebogen der Akademie angab. Es sind  reine und angewandte Mathematik, Astronomie und Astrophysik, und Geophysik, insbesondere die Fragen der solar-terrestrischen Beziehungen, Physik der höheren Atmosphäre und Erdmagnetismus, also alles Gebiete, die durchaus im Blickwinkel von Schmidt standen. Die stattliche Publikationsliste, die Chapman vorlegte, zeigt dann auch die Vielfalt seines Schaffens sowie Arbeiten, auf die Schmidt in seinem Wahlvorschlag Bezug nimmt. Es wurde bereits bemerkt, dass das Buch „ Geomagnetism“ Schmidt gewidmet wurde. Auch später zeigte sich Chapman Schmidt verbunden. Anläßlich seines Besuches bei der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin im Jahre 1962 legte er großen Wert darauf, dass er die Akademie in Halle sowie das Grab von Schmidt in Gotha besuchen konnte. Zeitlebens hat Chapman diesem Gelehrten großen Respekt gezollt.

Gerhard Fanselau

Gerhard Fanselau trat noch unter Adolf Schmidt in das Potsdamer Institut ein, dem er ein Leben lang verbunden bleiben sollte. In vielfältiger Weise ließ er das wissenschaftliche Erbe fördern und tat selbst auch viel dazu, daß Schmidt’s Andenken gewahrt blieb. Nachdem das Geomagnetische Institut 1957 in den Bereich der Deutschen Akademie der Wissenschaften gelangt war, gab es verbesserte Möglichkeiten für die Wissenschaftler. Schmidt, selbst korrespondierendes Akademiemitglied gewesen, war auch stets in Potsdam „gegenwärtig“ und äußere Anlässe wie sein 100.Geburtstag  wurden von Faneslau zum Anlaß genommen, um an Schmidt und dessen Werk zu erinnern.

Fanselau hat eine interessante Erinnerung an Chapman gegeben:  “our second meeting, which I remember very well, was in 1938 in Potsdam, where Dr. Chapman and Dr. Bartels are engaged in the manual Geomagnetism. Here we discussed intensively some scientific problems of the manual. The third time I met Dr. Chapman was in 1962. Then he paid to visit to the Geomagnetic Institute in Potsdam was in 1962. Then he paid to visit  to the Geomagnetic Institute in Potsdam and Niemegk and to the German Academy of Scientists, LEOPOLDINA, in Halle, of which he is a member. On this occasion he went to see the grave of Dr. Adolf Schmidt in Gotha. They had been friends and Dr. Chapman held Adolf Schmidt in high esteem.” (Fanselau, 1968, S. 75).

 Professor Hans Ertel hat sowohl bei der 75Jahres Feier des Geomagnetischen Instituts (1963) als auch bei der Emeritierung Fanelaus’s 1969 ausdrücklich auf Adolf Schmidt und dessen Verzahnung mit Potsdam und dem Lebenswerk Fanselau’s hingewiesen. Das Erdmagnetische Observatorium in Niemegk war auch als „Adolf Schmidt Onbservatorium für Erdmagnetismus“ bezeichnet worden. Als Chapman 1962 die Deutsche Akademie bzw. das Geomagnetische Institut besuchte, hat Fanselau auch dazu beigetragen, dass Chapman seine Reise nach Halle und Gotha machen konnte. Die Reise von Chapman nach Potsdam fiel in eine nicht ganz einfache Zeit, so dass sich Fanselau sehr um die Verwirklichung der Einladung bemühen mußte zumal auch Chapman nicht ganz so frei in seinen zeitlichen Belangen war. Jedoch klappte es endlich und Chapman hat Potsdam besucht, um später Halle, Gotha und andere Orte zu besuchen. Übrigens bestand zwischen der Leopoldina und Chapman ein recht positives Verhältnis. Die „runden“ Geburtstage Chapman’s nahm die Akademie zum Anlaß für Gratulationsschreiben, worüber sich Chapman besonders freute. Auch bei seinem Akademie-Besuch im Anschluß an die Potsdam-Reise tat die Akademie alles, um ihn würdig zu empgfangen und Professor K. Mothes, seinerzeit Präsident, war daran sehr interessiert und lud Chapman zu einem Essen ein.

Die weiteren Beziehungen Chapman-Fanselau sind gekennzeichnet durch die internationale Zusammenarbeit in der „Internationalen Assoziation für Geomagnetismus und Aeronomie“, an deren Tagungen Fanselau zumindest teilweise teilnahm. Die gemeinsamen Interessen an geomagnetischen Themen waren gegeben und in Fanselau’s Institut wurden durchaus Arbeiten durchgeführt, die Chapman interessierten. Neben diesem Erfahrungsaustausch war es die persönliche Verehrung für Schmidt sowie auch das Interesse an geophysik-historischen Themen. Chapman war ja ein umfassend gebildeter Gelehrter, ebenso Fanselau, sozusagen der „alten Schule“ in Sprachen, Geschichte und Kultur, so daß beide auch an der Geschichte interessiert waren, ja, deren Pflege als unabdinglich zum Wachsen der Wissenschaft hielten. Fanselau war zeitweilig Reporter für Europa in der Interdivisional Copmmission on History of the IAGA. In dieser Eigenschaft sammelte er die in Europa veröffentlichten Arbeiten und fertigte für die Generalversammlungen jeweils Arbeitsberichte an.

Zur Instituts-Feier 1963, zu der Fanselau Chapman eingeladen hatte, konnte dieser nicht kommen. Den 80. Geburtstag nahmen indes Fanselau und Hans Ertel zum Anlaß, um Chapman in besonderer Weise zu ehren. Das Sonderheft von „Gerlands Beiträge zur Geophysik“  wurde eingeleitet mit einer Laudatio von Gerhard Fanselau „ Sydney Chapman zum 80. Geburtstag“. Es enthielt Beiträge von Gerhard Fanselau (Bemerkungen zur einheitlichen geomagnetischen Karte für Mittel- und Südosteuropa, V. Bucha und H. Kautzleben, Einheitliche Bearbeitung der geomagnetischen Landesvermessungen in der Deutschen Demokratischen Republik, der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik und im Südostteil der Deutschen Bundesrepublik, H. Kautzleben, Statistische Analyse geomagnetischer Weltkarten, F. Frölich und H. Vollstädt, Komplexe Interpretation der durch Druckeinflüsse ausgelösten Veränderungen derMagnetsierung im Gestein ,G. Fanselau, Einige Bemerkungen zur kleinregionalen Veränderlichkeit von Sq, G. Fanselau, Classification of Days ,H. Schmidt, Ein Aktivitätsmaß für die fluktuierenden Ortsgradienten des geomagnetischen Feldes, K. Lengning, Einiges über Erdstromkennziffern,  H.-R. Lehmann, Abschätzung turbulenzbedingter magnetischer Flktuationen in der unteren Ionosphäre,  G. Fanselau, Die Sonnenfleckenabhängigkeit von L,  G. Fanselau und A. Grafe, Die Registrierung der geomagnetischen Ost-West-Komponente und ihre Bedeutung für die ssc-Morphologie, A. Best, Die magnetische Energiedichte langperiodischer Schankungen während geomagnetischer Stürme, A. Grafe, Probleme der Analyse des Ringstromfeldes in Verbinung mit den Dst-Variationen. Man erkennt unschwer, dass alle diese Themen auch Chapman durchaus interessierten.

Die guten Beziehungen zwischen  Ertel und Fanselau führten auch zu weiteren Ehrungen. Es wurde ein Sonderheft der von Hans Ertel herausgegeben „ Gerlands Beiträge zur Geophysik „  für Gerhard Fanselau gestaltet.  In der Laudatio haben Hans Ertel und Ernst-August Lauter Fanselau’s Verdienste hervorgehoben und ihn als „ glühenden Verehrer und Nacheiferer des deutschen Altmeisters der edmagnetischen Forschung, Geheimrat Adolf Schmidt“ bezeichnet (Ertel und Lauter, 1969). Neben der Laudatio erschienen in dem Hefte, das Fanselau gewidmet war, folgende Beiträge: E.-A. Lauter, Zur Dauer der ionosphärischen Winteranomalie im Höhenbereich der Mesopausenregion, S. Chapman und J. C. Gupta, Notes on the Compution of the Solar and Lunar Daily Magnetic Variations of X and  Y from Hourly or Bihourly Values of H and Declination, O. Schneider, Lunare Reste im mittleren Sq, C.-U. Wagner, The „Semi-annual“ Variation of the Solar Daily Quiet Geomagnetic Variation in the European Region,A. T. Price und A. C. Cocke, The Air Motion in the Dynamo Theory of Sq,  A. Tarczy-Hornoch, A. Adam und J. Verö, Untersuchungen über dne elektrischen Aufbau des Erdmantels in Ungarn mit Hilfe des elektromagnetischen Feldes der Erde, H. Kautzleben, W. Mundt und G. Rother, Über ein geomagnetisches Normalfeld der Vertikalkomponente in Mitteleuropa, P. Mauersberger, Näherungsdarstellungen für das magnetostatische Feld eines paprmagnetischen Störkörpers bleiebiger Gestalt, F. Frölich, H. Vollstädt und G,. Kirsten, Untersuchungen zu Umkehrungserscheinungen des geomagtnetischen Hauptfeldes sowie H. Schmidt und D. Lenners, Zum Stand der Datenverarbeitung am Adolf Schmidt Observatorium in Niemgek.

Auch hier sieht man die Themenvielfalt, die das Interesse Fanselau’s widerspiegelt. Interessant ist noch, dass Professor Otto Schneider (Argentinien) ein Schüler von Hans Ertel und Heinrich Ficker in Berlin war.  Professor Tarczy-Hornoch macht in seinem Vorwort nachdrücklich auf die Verdienste Fanselau’s aufmerksam. Sydney Chapman hebt in seiner Einelitung hervor „This paper, written in honour of the 65th birthday of Prof. Dr. Gerhard Fanselau, who has done so much for the accurate recording, publication and discussion of the geomagnetic elements…” (Chapman und Gupta, 1969).

Man erkennt an diesen Ausführungen, wie aufeinander bezogen die Interessen und die Vielfalt sowohl bei Chapman als auch bei Fanselau war.

Fanselau hatte Chapman auch zu seiner Abschieds-Feier 1969 eingeladen, doch konnte dieser der Einladung nicht folgen. Es ist jedoch interessant, dass anläßlich des 80. Geburtstages von Sydney Chapman in Potsdam eine Feier stattfand, an dem auch die führenden Mitarbeiter der Akademie teilnahmen und eine Grußbotschaft unterzeichneten, so u.a. Hans Ertel und Heinz Kautzleben . Über all diese Rückäußerungen hatte sich Chapman sehr gefreut, der in gewisser Weise Potsdam verbunden war.

Erwähnt werden muß auch, daß „Gerlands Beiträge zur Geophysik“ einen von G. Fanselau verfaßten Nachruf veröffentlichten, der im Heft des Jahres 1971 erschien. Ganz bemerkenwert für Chapman’s Einstellung ist es, was Fanselau darin u.a. sagt. Er vermerkte, daß er sich nach Verlust seiner Bücher das Werk „Geomagnetism“ gewünscht hätte.Völlig unerwartet, so schreibt Fanselau weiter, habe Chapman ihm „sein eigenes Exemplar übersandt mit persönlichen Randnotizen und gelegentlichen Korrekturen von Druckfehlern.“ (Fanselau, 1971, S. 276)

Ludwig Biermann

Biermann, ein wichtiger und führender Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Astrophysik hatte Chapman wiederholt getroffen und ihre Beziehungen waren durch Teilnahme an Konferenzen verstärkt worden. Beiden war zu eigen, dass sie Amateure gerne förderten sofern diese Beobachtungen, z.B. im IGY anstellen wollten. Biermann’s Postulat des Sonnenwindes war ein Ereignis, das Chapman mit großem Interesse entgegennahm. Seinerzeit war Biermann durch seine eigenen solaren und geomagnetischen Interessen nachdrücklich an Chapman’s Arbeiten interessiert. Er hat auch das Grußwort für Chapman in „ Sydney Chapman, Eighty, from his friends“ unterzeichnet..Herrn. Prof. Parker, ebenfalls Pionier bei der Entdeckung und Erklärung des Sonnenwidnes,  verdanke ich einige wichtige Erinnerungen an Chapman und Bi ermann, die hier auszugsweise wiededergegeben werden sollen, da sie ein besonderes Zeitdokument sind.

Er schrieb u.a.

„Back in the fifties I had the good fortune of  meeting both Sydney Chapman and Ludwig Biermann at scientific meetings. I found them both to be friendly scientists who freely discussed their ideas with me….

Somewhere in 1957 Prof,. Biermann visited Prof. John Simpson at the University of Chicago. I was a research associate with Simpson at the time, so I had a chance to talk with Biermann at some length. He told me about the researches on the dynamics of comet tails, noting first that radiation pressure is not sufficient to provide the observed vigorous outward acceleration of the gaseous comet tails. Solar corpuscular radiation was the only alternative, so he emphaszied that his studies of comet tail dynamics was really a way of studying solar corpuscular radiation. I was astonished to learn that comets occasionally pass over the poles of the Sun (evidently having been strongly perturbed by Jupiter at some time in the past) and show the same antsiolar acceleration of their tails as the comets at low heliocentric latitudes. In particular, Biermann could see the strong antisolar acceleration of the gaseous comet tails of solar corpuscular radiation following a large flare on the Sun, indicating the associated burst of solar corpuscular radiation. After thinking about what Prof. Biermann had told to me, what impressed me the most  was that comet tails never fail to show the antisolar acceleration of the gaseous tails, regardless of the general level of activity of the Sun and regardless of the heliocentric latitude at which they go around the Sun. That is to say, the Sun emits solar corpuscular radiation in all directions at all times. No one seemed to pay much attention to those two facts, but they struck me as astonishing. It meant that the origin of the solar corpuscular radiation was a very ordinary process, ongoing everywhere at the Sun. It had little or nothing to do with the presence of active magnetic magnetic field regions.”

Weiter zeigt Parker, wie sehr Chapman und Biermann bereit waren, ihre wissenschaftliche Ideen intensiv und mit jedem Interessierten zu diskutieren. Er faßt zusammen, wenn er schreibt: „ You can see, the the fundamental scientific roles played by Chapman and Biermann in reaching a recognition of the solar wind and ist dominance over space throughout the solar system. Their willingness to talk to a young nobody such as myself was essential in exploiting the fundamental conceptual advances they each had made.” (Parker, 2007)

Hans Ertel

Ertel hatte bereits Kontakt mit Chapman, als Bartels noch in Potsdam weilte. Außerdem nahm Ertel frühzeitig Bezug auf Chapman’s Arbeiten in den von ihm herausgegebenen Büchern. Später, also zur Zeit des 80. Geburtstages von Chapman, hatte Ertel nochmals Kontakt, als es um die Herausgabe eines Sonderheftes von „Gerlands Beiträge zur Geophysik“ ging sowie der Veröffentlichung einer Arbeit Chapman’s zu Fanselau’s Geburtstag. In einem Brief erinnerte Chapman ausdrücklich an die persönliche, herzliche Bekanntschaft mit Ertel. Ein späteres Treffen Ertel und Chapman hat indes nicht statt gefunden.

Verschiedene

Anläßlich seines Potsdam-Besuches im Jahre 1962 hatte Chapman zumindest kurzfrisitig gute Kontakte u.a. zu Dr. H. Schmidt, Dr. A. Best, Prof. Kautzleben sowie anderen. Dies dokumentiert sich in Briefen, denn Chapman war allen sehr verbunden für die freundliche Begegnung während seiner Reise. Auch zu Dr. C.-U. Wagner hatte er freundlichen Kontakt. In Halle traf er bei seinem Besuch der Leopoldina zwar mit keinem Geophysiker zusammen, wohl aber mit leitenden Persönlichkeiten der Akademie. Die Beziehungen zu Halle dauerten bis an sein Lebensende, zumal die Akademie zu allen „runden“ Geburtstagen einen Glückwunsch sandte. Anzumerken ist noch, daß Wilfried Schröder über viele Jahre freundliche Beziehungen zu Chapman sowie seinem Mitarbeiter Benson Fogle hatte. Chapman hatte sich frühzeitig für Leuchtende Nachtwolken interessiert, und Fogle hat ab 1963 in Beobachtungsnetz in den USA aufgebaut. Fogle hat wichtige Beiträge zu diesem Themenkreis geliefert und 1966 war Chapman Advisor bei seiner Dissertation („ Noctilucent clouds“). Überdies war Chapman stets an Polarlicht-Daten aus mittleren Breiten sowie früheren Zeiten interessiert. Professor Ertel hatte in „Gerlands Beiträge zur Geophysik“ meinen Polarlichtkatalog deutscher Beobachtungen 1882-1956 veröffentlicht, den ich auch an Chapman schickte. Dieser war sehr interessiert und begrüßte diese Veröffentlichung. Er regte weitere Studien, insbesondere älterer Polarlichter an. Einige Studien von mir, z.B. Polarlichter in niederen Breiten, wurden von Prof. Ertel in „Gerlands Beiträge zur Geophysik“ gedruckt. All dies fand Chapman’s freundliches Interesse.  Meine Beziehungen zu Chapman dauerten bis zu seinem Tode.

Von besonderem Interesse sind Chapman’s Beziehungen zu dem Physiker Ludwig Waldmann (Mainz, dann Erlangen). Waldmann war mit Transporterscheinungen in Gasen theoretisch beschäftigt, ein Thema, das auch stets Chapman interessierte. Zwischen beiden Forschern gab es einen Gedankenaustausch. Nachstehend soll Waldmann’s Erinnerung gedruckt werden, weil sie einen bemerkenswerten Einblick in Chapman’s Art und Weise bietet und zugleich den Neubeginn der wissenschaftlichen Arbeit nach dem Krieg aufzeigt:

„ Sydney Chapman causes admiration inseparably linked with affection in everybody who comes into close contact with him. Maybe this is the clue to his unique influence.

He entered my life, if I dare say so, thirty years ago. In Munich, in 1938, Clusius and Dickel had constructed their thermal diffusion ‘Trennrohr’ and there was a need for theoretical considerations. Chapman’s wok on the thermal diffusion, more than twenty years old at that time, was our daily bread in those exciting days.

Not long after the war, I got the first letter from Sydney in return for reprints of the diffusion-thermoeffect work. We were still very much isolated, and Chapman’s encouraging words of acknowledgement were like fresh rain on dry soil.

My first personal contact with Sydney Chapman was in 1957 in Mainz. Professor F. A. Paneth, the chemist, was at the Max Planck Institute in Mainz, where I was a member,  too. Paneth had to flee in 1933 from his full professor chair in Königsberg, and came to London as a refugee. Times for scientists then were different from now; the worldwide economic situation was desperate and refugees not asked for. Sydney Chapman was the first to help and Paneth, who can no more tell this himself, became an assistant at Imperial College until a final solution was found. Paneth always talked with the highest esteem of this help. I will never forget the impression which Chapman, then President of the Geophysical Year, made upon us by his lecture in Mainz in 1957.

With deep gratitude, I am conscious of the stimulus, encouragement and contagious optimism which Sdyney Chapman has spread from which I have had the privilege to receive an unforgettable portion.  (Chapman, 92-93).

  Chapman hielt seinen Vortrag zum Thema “ Stratospheric research during the International Geophysical Year” am 18. Januar 1957 in Mainz, wobei er auf ein breit interessiertes Publikum stieß.

Ungedruckte Quellen:

  Chapman Nachlaß, Library and Archive University of Alaska (Sydney Chapman Papers), Archiv Akademie Wissenschaften zu Göttingen:  Scient. 9110 und Pers. 52.3, Sydney Chapman,  Martikelmappe 4366 Archiv der Deutschen Akademie der Naturforscher, Leopoldina, Halle.

Danksagung

  Herrn Prof. Kautzleben danke ich für die Möglichkeit der Mitarbeit am Kolloquium. Für viele Hinweise bin ich Prof. Akasofu, Dr. Best, Prof. Bucha , Prof. R. Lüst dankbar. Ganz besonders bin ich Herrn Prof. E. N. Parker dafür dankbar, daß er mir seine Erinnerungen an Chapman und Biermann schickte und damit sehr half.  Den Archiven der Berlin-Brandenburgischen Akademie, der Göttinger Akademie sowie der Leopoldina danke ich herzlichst für freundliche Beratung und Hilfe.

Literatur

  Sydney Chapman, Eighty from his friends. (1969) ed. by S.-I. Akasofu, B. Fogle, and B. Haurwitz, Boulder,

Ertel, H., und E.-A.  Lauter, 1969  Gerhard Fanselau zum 65. Geburtstag. Gerlands Beitr. Geophysik78, 97-98

Ertel, H., 1953, Entwicklunsgphasen der Geophysik, Berlin: Akademie-Verlag

  Parker, E.N., 2007, Pers. Mitt.

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