Die Sonne - ein veraenderlicher Stern ?

Von Wilfried Schroeder

Gegenwaertig wird die Diskussion ueber die "ruhige" und "aktive" Sonne durch die Veroeffentlichung neuer Aspekte gefoerdert. Dabei hat die Erforschung der Haeufigkeit von Polarlichtern keine unwesentliche Bedeutung. Bei der Suche nach Informationen ueber solche beobachteten Phaenomene in frueheren Zeiten koennen auch Jugendliche und Arbeitsgemeinschaften taetig werden.

In den letzten Jahren sind einige Arbeiten erschienen, die von langjaehrigen solaren Aktivitaetsperioden berichten. Auffallend sollen das Spoerer-Minimum (1450-1550) sowie das Maunder-Minimum (1645-1705) sein. Das sind Zeiten, in denen die Sonne geradezu erloschen war, da nach Auffassung der Autoren [1] in diesen Zeitraeumen keine Sonnenflecken bzw. Polarlichter zu sehen waren. Inzwischen kamen weitere Zeitabschnitte hinzu, von denen man meinte, es seien solche einer "ruhigen" Sonne. Damit einhergehende Fragen, etwa Auswirkungen auf das Erdklima sind so beachtlich, dass inzwischen weitere Studien hierzu erschienen [2]. Nachfolgend soll diesen Problemen nachgegangen werden mit der Massgabe, auch aufzuzeigen, wie z.B. „Jugend forscht“ bzw. in astronomischen Arbeitsgemeinschaften vielleicht ein Beitrag zu diesem wichtigen Forschungsproblem geleistet werden kann.

Die solaren Minima und der historische Kontext

Erst mit dem 15. Jahrhundert war der Buchdruck durch Gutenberg verfuegbar. Damit begann auch eine Neubesinnung in der Astronomie. Vorher gab es keine regulaeren astronomischen Beobachtungen, man wusste letztlich nichts von der Periodizitaet der Sonnenflecken und vermutete in den Polarlichtern "erschroeckliche Wunderzeichen". Mit anderen Worten: Das breite Publikum kannte den Himmel nur als Ort Gottes und wenn dann und wann Polarlichter auftauchten, wurden sie als "Zeichen" oder "Rute Gottes" verstanden. Es gab niemanden, der diese Phaenomene auf- zeichnete, zumindest nicht systematisch. Was niedergeschrieben wurde, waren die auffallenden Erscheinungen; man findet sie in Stadtchroniken und in anderen Buechern. Aber auch nach der Entdeckung der Sonnenflecken durch Fabricus u. a. widmete man sich kaum der systematischen Erforschung dieser Phaenomene [3]. Erst im Jahre 1716 laesst sich im Abendland eine Wende erkennen. Damals hat das auffallende Polarlicht die Leute u. a. in Halle dazu getrieben, dass der beruehmte Philosoph Wolff eine oeffentliche "Lektione" halten musste - auf dem Marktplatz! Mit anderen Worten: bis zu diesem Jahr lassen sich nur mehr oder weniger sporadische Daten auffinden bzw. schlummern noch in unerschlossenen Quellen; uebrigens eine Fundgrube fuer Heimatforscher oder Arbeitsgemeinschaften. Die bisher behaupteten Zeiten der geringeren Sonnentaetigkeit fallen also in eine historische Periode, die den Sonnen- und Polarlichtbeobachtungen nicht begleitend gegenueberstand. Wenn man dies real einschaetzt, wird verstaendlich, weshalb im Vergleich zu heute weniger Daten aufzufinden sind.

Gibt es solare Minima?

Es wurde immer wieder davon berichtet, dass es Zeiten ohne Sonnenflecken gab. Insbesondere im ausgehenden Mittelalter (Spoerer-Minimum) sowie zu Beginn der Neuzeit (Maunder-Minimum) fanden sich fuer Eddy und andere solche Zeiten. Da aus dieser Zeit keine regulaeren Sonnenfleckendaten vorliegen, muss man also indirekt auf die solare Aktivitaet schliessen. Hierzu bieten sich die Polarlichter, also Leuchterscheinungen in der Erdatmosphaere an, die durch die Partikeln der solaren Eruptionen angeregt werden. Der Zusammenhang solare Aktivitaet und Polarlichter ist unumstritten. Es muss bedacht werden, dass die kosmische Elektrodynamik lehrt, dass die Magnetfelder der Sonnenflecken der aktiven Sonne die Quellen der korpuskularen Strahlung sind. Sie besteht aus geladenen Partikeln, die bei einer Geschwindigkeit von 2000 km/s die Erde nach einem Tag erreichen. Dort verursachen sie ionosphaerische Stoerungen und fuehren zur Bildung der Polarlichter.

Diese Partikeln koennen nur solare Magnetfelder in den erdnahen kosmischen Raum hineintragen, welche die abschirmende Wirkung des magnetischen Feldes der Erde sowie die hochenergetische kosmische Partikelstrahlung verstaerken. Die primaeren kosmischen Strahlungspartikeln sind positiv geladene Atomkerne, vor allem Protonen, die sich fast mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie loesen in der Erdatmosphaere Kernreaktionen aus, bei denen u. a. Stickstoff-Atome zu radioaktiven Kohlenstoff-Atomen C14 werden. Genauso wie der gewoehnliche Kohlenstoff C12 nehmen die Pflanzen den Kohlenstoff C14 aus der Atmosphaere auf. Daher kann man mit der Isotopen-Zusammensetzung des Kohlenstoffes in fossilen Baeumen auf die Intensitaet der kosmischen Strahlung zur Lebzeit der Baeume schliessen.

Bei fehlender Sonnenaktivitaet gelangen mehr kosmische Strahlungspartikeln zur Erde als bei der aktiven Sonne. Deshalb sollte die Solaraktivitaet aus den fossilen Hoelzern bestimmbar sein. Voraussetzung hierfuer ist jedoch die Kopplung der korpuskularen Strahlung der Sonne und der Polarlichter mit den Solarzyklen. So gesehen, wuerden die behaupteten Minima der Sonnenaktivitaet mit der Dondro-Chronologie in Beziehung gebracht.

Neuerdings wird beteuert, dass moeglicherweise die Korrelation Sonnenaktivitaet-Polarlichter so eng nicht besteht. Dann wuerde indes die ganze Argumentation (bezueglich der behaupteten Minima) hinfaellig. Man muss daran erinnern, dass allein die Existenz eines Polarlichtes zeigt dass die Sonne „aktiv“ war.

Fuer die weiteren UEberlegungen zum Thema Sonne als veraenderlicher Stern ist auch zu bedenken, dass es derzeit keinen theoretisch nachvollziehbaren Grund fuer eine saekulare oder periodische AEnderung der Amplituden der Sonnenaktivitaet, also der Hoehen der Aktivitaetsmaxima von 11 Jahren, gibt. Die 11-Jahres-Periode selbst und alle damit einhergehenden Beziehungen werden fuer die Physik der Sonne durch die Dynamotheorie der Magneto-Hydrodynamik gut erklaert. Aber diese Modelle sind stets lineare (bzw. quasi-lineare) Naeherungen an Grundgleichungen der Magnetofyrodynamik, die grundsaetzlich nichts ueber die absolute Groesse der Solaraktivitaeten aussagen koennen.

Die linearen Naeherungen lassen willkuerliche Amplituden zu, d. h. auch beliebig grosse Aktivitaetsmaxima. Sowohl die Staerke der Wirbelungen in der Sonnenatmosphaere als auch die Staerke der damit einhergehenden Magnetfelder ist erst aus den erhofften Fortschritten der nichtlinearen Theorie verstanden worden. Grundsaetzlich muss man davon ausgehen, dass sich die Amplituden der Sonnentaetigkeit nicht aendern, wem die Bedingungen, unter denen sie ablaufen, sich nicht aendern. Nur eine ausstehende streng nicht-lineare Theorie koennte hierzu Aussagen treffen.

Somit kam gegenwaertig das Problem der Sonne als veraenderlicher Stern nicht scharf gefasst werden. AEnderungen der Sonnenfleckenrelativzahlen, der Zyklen, all dies ist bekannt; weitergehende Deutungen sind aber eben nur Deutungen. Auch alle fortfuehrenden UEberlegungen, die Frage nach der Solarkonstante, langfristige Klimaschwankungen, sind Aspekte, die gegenwaertig nicht mit jener Beweiskraft herangezogen werden koennen, die man sich wuenschen mochte. Sieht man heute nur auf den bewaehrten 11-jaehrigen Zyklus (weitere Zyklen lassen wir einfach weg) sowie die verfuegbaren geomagnetischen und Polarlichtdaten, so zeigt sich jedenfalls, dass die behaupteten Minima - sie sollten die These „Sonne als variabler Stern“ konkretisieren - in dieser Form nicht belegbar sind.  

Polarlichter zwischen 1540 und 1720 in Mitteleuropa

Didaktische Hinweise  

Ein wirklich lohnendes Feld fuer Schueler stellt die Suche nach Polarlichtern in den Jahren zwischen 1450-1750 dar. Es ist unbestritten, dass viele Heimatchroniken, Kirchenbuecher sowie sonstige Notizbuecher mit Sicherheit noch nicht erschlossen sind. Gerade kirchliche Buecher enthalten neben den Notizen zum Gemeindeleben Hinweise auf andere Ereignisse; darunter koennten Polarlichter sein. Dies gilt auch fuer heimatliche Chroniken u. v. a. m. Schueler koennten der Wissenschaft einen unschaetzbaren Dienst leisten, wenn sie durch ihre lokalgeschichtlichen Studien bei der Auffindung von Polarlichtern helfen. Polarlichter treten besonders haeufig im Maerz/April bzw. September/Oktober auf. Vielleicht finden sich dazu Angaben. Auch aeltere astronomisch-geographische Buecher geben haeufig Hinweise auf Himmelserscheinungen. Jegliche Notiz hierzu waere der Wissenschaft nuetzlich und schon jedes zusaetzlich entdeckte historische Polarlicht wuerde in der Diskussion um die ruhige bzw. aktive Sonne weiterhelfen. Deshalb kann zu solchen Arbeiten nur nachdruecklich aufgefordert werden. Positive Funde oder allgemeine Nachfragen koennen gerne an den Verfasser geschickt werden.

Literatur

[1] Eddy, J. A.: The Maunder Minimum. Science 192 (1976),1180.
[2] Schroeder, W.; Legrand, J.: Solar Variability and Global Change.
IAGA Konf., Bremen- Roennebeck, 1993,340 S.
[3] Schroeder, W.: Das Phaenomen des Polarlichts. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1984 (beim Verfasser noch erhaeltlich).

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